Haushaltsrede der Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler Regensburg e.V., Kerstin Radler
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Vertreter der Verwaltung,
sehr geehrte Vertreter der Presse,
liebe Regensburgerinnen und Regensburger,
letztes Jahr hatte unser Wirtschaftsreferent Dr. Barfuß sowohl akustisch als auch optisch für erhöhte Aufmerksamkeit gesorgt, indem er am Beginn seiner Rede einen Stapel Unterlagen laut auf den Boden fallen ließ. Mit so einem Paukenschlag beginne ich heute meine Haushaltsrede nicht, trotz vieler gesammelter Akten, die die Koalitionäre im Zuge der IP-Verhandlungen sichten und bearbeiten mussten und die man zu Boden fallen lassen könnte. Hart haben wir an Kompromisslösungen gearbeitet und wir konnten eine gemeinsame Linie finden, was, wie ich finde, ein gutes Zeichen für unsere Zusammenarbeit darstellt.
1.
Denn auch das zur Neige gehende Jahr 2023 war wieder von Krisen geprägt.
Nach überstandener Coronakrise und anhaltendem Krieg in der Ukraine, dessen Ende noch nicht abzusehen ist und der daraus resultierenden Energiekrise, kommt nun eine weitere kriegerische Auseinandersetzung in Israel hinzu, nicht zu vergessen die Dauerklimakrise.
Diese Krisenherde gehen natürlich nicht ohne Auswirkungen an unserer Gesellschaft insgesamt, aber auch an der politischen Situation und der unserer Arbeit im Stadtrat vorbei.
Zwar leistet die Stadt gute Wirtschaftspolitik, aber die Haupteinnahmenquelle, die Gewerbesteuer wird durch die hier ansässigen Unternehmen geleistet.
Die Herausforderung im IP war, die Ausgabenseite zu reduzieren.
Und das war ein Drahtseilakt, da die Höhe der seitens der Referate angemeldeten Projekte und Maßnahmen weit jenseits eines genehmigungsfähigen Haushaltes lag.
Die systematische Kürzung jeder Einzelmaßnahme in Höhe eines Volumens von 12,5 %, und die Fortführung der im Vorjahr eingeführten Grundsätze „Index-und Risikokosten“ und „Planreife-Härtegrade“ sind dabei pragmatische Lösungen, die einerseits Unschärfen vorbeugen und andererseits regelmäßig zu erwartende Baukostenerhöhungen berücksichtigen. Wir konnten somit eine Reduzierung der angemeldeten Positionen um ca. 100 Mio. erreichen, sodass wir jetzt bei 816,5 Mio. Euro liegen.
Auch wenn diese Vorgehensweise künftig keinem Automatismus unterliegen sollte, glaube ich, dass dieser Kompromiss der richtige Weg war, denn ein nicht genehmigungsfähiger Haushalt würde bedeuten, die Stadt würde nur noch und ausschließlich ihren gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtaufgaben nachkommen. Und das wäre ein Fakt, den sicherlich niemand der hier verantwortlichen Entscheider möchte.
Wir arbeiten weiter daran, die Personalkosten zu kürzen. Die jeweiligen Arbeitsbereiche aber gleichzeitig zu erweitern, ist eine Herausforderung für alle, insbesondere die hiervon betroffene Verwaltung, die, wie seitens der Politik gewünscht, angehalten wird einen überwiegenden Teil der ihr übertragenen Aufgaben selbst zu bewerkstelligen und nicht nach außen zu vergeben. Ziel sollte es daher sein ein effizienteres Arbeiten zu erreichen, Arbeitsabläufe zu komprimieren und zu erleichtern, Stichwort: Smart City. Hierauf komme ich noch später zu sprechen.
Bei dieser Gelegenheit Dank an die Arbeit der Verwaltung und deren Leistung in Hinblick auf die Umsetzung der Seitens der Politik vorgegebenen Wünsche und Beschlüsse.
Insgesamt bin ich daher überzeugt, dass wir in der Gesamtschau die richtigen Akzente setzen und das trotz oft unterschiedlicher Meinungen innerhalb der Koalition.
Zur Halbzeit der Wahlperiode ziehe ich daher aus unserer Sicht eine positive Bilanz, denn in herausfordernden Zeiten ist es immer schwer jeden Wunsch zu erfüllen, so sind lösungsorientierte Ansätze aufgrund der Umstände geforderter denn je.
2.
Auf Grund der vorgegebenen Zeit nur ein paar Bereiche, die wir Freie Wähler herausstellen möchten:
Bildung:
Gerade in Anbetracht der aktuellen politischen Lage in Deutschland und in Europa sind Investitionen im Bereich Bildung Dreh- und Angelpunkt für den künftigen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, denn mit steigendem Bildungsniveau sinkt nach einschlägigen Forschungsergebnissen auch die Zustimmung zu rechtspopulistischen oder verschwörungstheoretischen Aussagen.
Der aufkeimende Antisemitismus kann meines Erachtens längerfristig nur dann eingedämmt werden, wenn wir unsere Kinder und Jugendlichen für diese Themen sensibilisieren und ihnen immer wieder vor Augen halten, dass die demokratische Regierungsform die beste Option ist eine Gesellschaft offen und frei agieren zu lassen.
Deshalb geht ein erheblicher Teil der Mittel im IP Zeitraum, nämlich 145 Mio. in die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen.
Wir standen mit unserer zuständige Referentin Frau Dr. Kellner-Mayrhofer vor großen Herausforderungen, Neubau und Sanierungen vieler vorrangiger Projekte waren abzuwägen und zu bewerten.
Ziel war es dabei die schon laufenden Großprojekten zügig voran zu bringen, so die Schule am Sallerner Berg, den Osttrakt des Werner von Siemens Gynmasiums, das berufliche Schulzentrum Kerschensteiner und das Sonderpädagogische Förderzentrum.
Und ja, die städtische Berufsschule 3 in der Prüfeningerstraße ist wieder nach hinten geschoben worden, obwohl hier ein gewaltiger Sanierungsrückstau besteht. Aber wir hätten wieder ein Großprojekt in die Pipeline gebracht mit einem Kostenvolumen von über 55 Mio, was verantwortungsvoll bei der aktuellen Haushaltssituation einfach nicht machbar ist.
Das Verschieben hat daher nichts mit einer Schulart zu tun, alle Schularten werden gleichbehandelt und sind uns gleich wichtig, keiner soll sich hierbei benachteiligt fühlen.
Nicht unerwähnt sollte auch bleiben, dass den Klimaschutzzielen gerecht werdend, die Dächer der Schulen mit Photopholtaikanlagen bestückt werden, exemplarisch hierzu die Grundschule Burgweinting oder die Otto Schwerdt Mittelschule.
Verkehrswende:
Klimaschutz und Verkehrswende sind als eine Einheit zu sehen:
Wir FW haben das Projekt Stadtbahn seit dem Grundsatzbeschluss 2018 immer positiv begleitet und werden dies auch weiter tun.
Nach Vorlage der im Frühjahr 2024 zu erwartenden Kosten Nutzen Untersuchung wird zu prüfen und zu entscheiden sein, wie es weitergeht und in welcher Form wir als Stadtrat die Bürger und Bürgerinnen für dieses zukunftsweisende Verkehrsprojekt um eine Entscheidung bitten.
Wir sollten dabei auch den Mut haben vorausschauend für die kommende Generation mitzudenken, und Visionen gedanklich zuzulassen.
Es gilt aber auch kurz -und mittelfristig in der Verkehrswende voranzukommen.
Als Grundlage und Voraussetzung hierzu dient die Beruhigung der Altstadt.
Die zügige Umsetzung der Mobilitätsdrehscheibe am alten Eisstadion ist dabei unser oberstes Ziel, sowie der Ausbau der E-Busflotte. So stellen wir 8,7 Mio. Euro zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs ein.
Und wir setzen die Ziele des Radentscheides um, siehe Ausbau Radweg Lückenschluß Unterislingerweg bis Stadtgrenze Scharmassing, Sanierung Grieser Steg, Donaustauferstaße bei Schwabelweis, um nur wenige Maßnahmen zu nennen.
Umweltschutz:
Wir arbeiten mit Hochdruck daran die Co2 Reduzierung entsprechend den Klimaschutzzielen umzusetzen, auch wenn uns bewusst ist, dass wir noch viel zu tun haben. Stichwort: Green deal.
So werden grundsätzlich all unsere Neubauten und generalsanierten Gebäude maximal mit PV Anlagen bestückt, der Gebäudebestand wird auf seine Eignung für PV Anlagen untersucht, für 14 dieser Gebäude erfolgt gerade eine Ausschreibung, wir fördern PV Anlagen für Private mit unserem Programm „Regensburg effizient“ und wir haben die Altstadt für PV Anlagen geöffnet. Die Wärmeversorgung erfolgt bei neuerrichteten und generalsanierten Gebäuden grundsätzlich regenerativ. PV Anlagen auf städtischen Gebäuden, bereits im Schulbereich erwähnt, werden zügig umgesetzt, auch beim Altbestand.
Auch das Thema der Hitze in dicht zugebauten Städten haben wir im Blick, Trinkwasserbrunnen, exemplarisch am Bismarckplatz, Schwanenplatz wurden bereits eröffnet, weitere sind in Planung.
Digitalisierung:
Zu einer modernen Stadtentwicklung gehört auch das Thema der Smart City.
Paradebeispiel ist die Initiative „Smart City“, der wir im IP-Zeitraum 1 Mio. Euro zur Verfügung stellen können. Smart City bedeutet für mich ein Regensburg, dass nachhaltig, grün und produktiv ist.
Dass bedeutet auch, dass wir zum Beispiel Fortschritte im Bereich des „E-Governance“ machen müssen, um unseren Bürgern und Bürgerinnen eine zugängliche und effiziente Verwaltung bieten zu können und Arbeitsschritte innerhalb der Verwaltung zu komprimieren.
Auch bedeutet es, gerade im Bereich Nachhaltigkeit, dass durch die Integration digitaler Technik Aspekte wie Mobilität, Ressourcenmanagement und Energieverbrauch besser überwacht und damit verbessert werden können.
Wir können in Regensburg auf Hochschulen, die Universität und den Tech Campus zurückgreifen, die maßgeblich dazu beitragen eine Plattform für den Einsatz digitaler Technologien in unserer Region zu schaffen.
Das Tech Campus ist unter Schaffung von rund 4000 hochwertigen Arbeitsplätzen fast fertig entwickelt, dieses Erfolgsmodell unterstützen wir weiter mit dem Tech Campus 2, beim Jahnstadion, um Regensburg als Hochtechnologiestandort weiter zu entwickeln.
Und wir führen die Planungen um das Kultur- und Kreativcluster mit dem Stadtlagerhaus, einem Kreativ-Quartier mit enormen Potenzial fort.
Kultur:
Womit ich bei meinem Herzensthema Kultur angekommen bin. Kunst und Kultur sind ein wichtiges Zeichen der Menschlichkeit. Sie besitzen sinnstiftende und verbindende Funktion und leisten einen wichtigen Beitrag zur Aktivierung von Urteilsfähigkeit, Nachdenklichkeit und Kreativität. Sie sind meiner Meinung nach für die Sicherung unserer demokratischen Gesellschaft unverzichtbar.
Um diese zu erhalten gibt es keine Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen, was Vertrauen auch in die Kulturpolitik unserer Stadt schafft.
Wir lassen auch unsere Spielstätten nicht untergehen, allen voran das von der Stadtgesellschaft so beliebte Velodrom, ursprünglich eine Übergangslösung, aus der hiesigen Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken und auch dringend benötigt. Planungsmittel sind eingestellt und es wird mit viel Engagement und Kreativität daran gearbeitet eine möglichst kostengünstige Variante für die Sanierung zu erreichen.
Wir reden hier nicht von einem Luxusproblem, sondern von einer zwingend erforderlichen Maßnahme, um einen ordentlichen Betrieb des 5- Spartenhauses aufrechtzuerhalten.
Und wir werden Staatstheater, das sollte an dieser Stelle auch erwähnt werden, verbunden mit dem Dank an das Dreamteam Sebastian Ritschel und Matthias Schloderer, die einen hervorragenden Job machen.
3.
Zum Schluss möchte ich noch einen Appell richten an unsere Stadtgesellschaft.
Frau Ilse Danziger, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, hat in beeindruckender Weise in der letzten Sitzung des Stadtrates davon berichtet, dass Holocaust Überlebende wieder Ängste und Unsicherheit spüren, die sie auf gepackten Koffern sitzen lässt.
Wir Regensburger haben bislang aus der Geschichte gelernt und uns sowohl beim Neubau der jüdischen Synagoge als auch in Hinblick auf die Vielfalt der Religionen und Abstammungen immer offen und tolerant gezeigt.
Ich bin davon überzeugt, dass wir uns dieser Verantwortung bewusst sind und dies auch künftig sein werden. Deshalb müssen wir im regen Austausch mit Kritikern bleiben, um Schranken und Vorbehalte abzubauen, denn nur wenn wir der Spaltung der Gesellschaft vorbeugen und ihr entgegen wirken, können wir optimistisch in die Zukunft sehen und unser hohes Gut der Demokratie erhalten.
Von Seiten der FW Stadtratsfraktion bekunden wir daher ausdrücklich nochmals unsere uneingeschränkte Solidarität zu den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt.
4.
Dank an alle Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates und der Koalition für die gute Zusammenarbeit, den Referenten für ihre Sachkompetenz und Unterstützung und nicht zuletzt sämtlichen ehrenamtlich Tätigen, die unermüdlich sich in der Gesellschaft einbringen und einen großen Anteil daran haben diese zusammen zu halten.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!