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Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden der ÖDP, Benedikt Suttner

Rede des ÖDP-Fraktionsvorsitzenden Benedikt Suttner zum Haushalt 2023 im Rahmen der Plenumssitzung des Regensburger Stadtrates am 24.01.2023 

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer,
sehr geehrte Bürgermeisterin, sehr geehrter Herr Bürgermeister,
werte Vertreterinnen und Vertreter der Medien,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer,

Wo bleiben Mut und Tempo für 2030 und darüber hinaus?

Mut - Tempo - 2030!

Drei Begriffe, die ich Ihnen heute aus meiner Rede mitgeben will. Mehr will ich nicht. Das viele Generelle wurde ja schon von meinen Vorrednern gesagt. Das muss ich als siebter Redner nicht auch noch wiederholen.

Wir brauchen endlich Mut:
Mut zum Tempo.
Mut zum Blick auf 2030 und
Mut, weit darüber hinaus zu denken.

Bis 2030 müssen unsere Stadtverwaltung und unsere Töchter klimaneutral sein. So haben wir es beschlossen. Und wir haben uns darauf verständigt, dafür zu sorgen, dass fünf Jahre später die gesamte Stadt klimaneutral ist.

Das ist nicht ohne,
das ist nicht leicht,
das bedeutet sehr viel Arbeit!

Und deshalb brauchen wir Tempo. Tempo nicht in km/h gemessen, sondern Tempo in den Entscheidungen, in der Umsetzung.

Mut … zu Tempo 30!
Ein kleines mutiges Mittel für Tempo ist ein scheinbar langsames: Tempo 30

Hätten wir eine Tempo 30 - Stadt ...
... würde das Radfahren sofort leichter, weil es schneller wäre.
... würde das Miteinander stärker, weil Geschwindigkeiten angeglichen würden.
... würden die Kinderfreundlichkeit und die Sicherheit ansteigen und
die Lärm- und Feinstaubbelastung, sowie die CO2-Konzentration abnehmen.
... würde dafür aber der Haushalt unserer Stadt nicht weiter belastet und der Straßenunterhalt günstiger.

Tempo 30 wäre ein Mittel ohne zusätzliche Kosten.
Das sind wohl auch die Gründe, wieso sich inzwischen 400 Kommunen der Initiative „Lebenswerte Städte“ angeschlossen haben. Gemeinsam wollen sie durchsetzen, dass sie über die Höchstgeschwindigkeit in ihren Städten selbst entscheiden dürfen. Das finden wir richtig und wichtig. Und deshalb haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, unseren Antrag auf Beitritt Regensburgs zu diesem Bündnis demnächst auf Ihrem Schreibtisch.

Mut … zu weniger Parkplätzen!

Raum für Menschen statt für Autos!
Ich befürchte, dass wir als Ökodemokraten noch lange mit dieser einfachen Forderung in Wahlkämpfe ziehen müssen?
Solange das so ist, muss ich in jeder meiner Haushaltsreden das Parkplatzthema ansprechen. Und deshalb frage ich erneut:
Wann verabschieden wir uns endlich vom Bau neuer Parkhäuser, siehe Nibelungenareal oder Unterer Wöhrd?
Wann endlich sprechen wir mutig aus, dass im Vergleich zu anderen unsere Stadt noch viel zu viel wertvollen Raum dem Auto opfert?
Wann widmen wir unsere Innenstadtparkhäuser endlich zu Anwohner-Quartiersgaragen um?

Warum?

Weil jeder Parkplatz, der in unserer Stadt nicht geschaffen wird, mehr Raum für Grün, Naherholung, Biodiversität, Sicherheit, Klima- und Bodenschutz bedeutet.

Mut – zur Stadtbahn und zur Umwidmung von Straßen!

Das Wuppertal-Institut schreibt, dass nur durch eine Halbierung des Autoverkehrs, gekoppelt mit einem massiven Ausbau der Erneuerbaren, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen sein wird. Deshalb brauchen wir Mut und Tempo.

Statt neuer Parkplätze brauchen wir im großen Stil Straßenspuren als Bürgertrassen für Busse und Fahrräder. Damit ebnen wir gleichzeitig der Stadtbahn den Weg. Die Planungen für eine Stadtbahn müssen heuer mit dem Masterplan Fahrt aufnehmen. Wir brauchen die Stadtbahn als attraktives Rückgrat unseres ÖPNV statt noch mehr Autoverkehr in unserer Stadt. Auch hierfür brauchen wir Mut, um ihre Vorteile darzustellen und für Probleme Lösungen anzubieten.

Wir brauchen das mutige Handeln für Klimaneutralität, für Klimagerechtigkeit, für eine echte Enkeltauglichkeit unserer Stadt. Der Reflex, der eigenen Wählerschaft möglichst nichts zuzumuten, ist zu wenig und oft genug auf Kosten all der nachfolgenden Generationen.

Mut … zu einer neuen Haushaltsmethodik!

Heute liegt uns ein Haushaltspaket vor, das mit einer neuen Methodik arbeitet. Das begrüßen wir. Es ist richtig, einen Risikopuffer einzuziehen und wir unterstützen auch, nur Projekte einzustellen, die bereits eine gewisse Planungstiefe erreicht haben. Das ist ein mutiger Schritt, der die Handschrift unseres Finanzreferenten Professor Barfuß trägt. Und es ist auch mutig von ihm, uns gegenüber klar zu äußern, dass wir über unseren Verhältnissen leben, dass wir uns all die geplanten Investitionen auf Dauer eigentlich nicht leisten können. Und wenn wir sie nicht hinterfragen, müssen wir sie mit Schulden finanzieren.

Mut … zum Ende der Konsumparty!

Das ist ein Zeichen, dass die ewige Konsumparty auch in der Regensburger Kommunalpolitik vorbei ist. Wir brauchen Prioritäten. Deshalb ist es gut, dass der Haushalt weiterhin viele Gelder für Bildung, Soziales und die Daseinsvorsorge vorhält. Aber an den knapp 50 Mio Euro für den Sportpark Ost sehen wir beispielhaft, wie wenig die Koalition politische Schlüsse aus der Jetztzeit zieht. Keiner Partei soll etwas zugemutet werden, jeder hat weiterhin seine Lieblingsprojekte abgebildet, in diesem Fall eben die CSU.

Eine Mehrfachnutzung lässt diese Halle aber nicht zu, eine kulturelle Veranstaltung im Stadtteil ist hier kaum drin, dafür wird die Halle nicht gebaut.
Dem Schul-oder Breitensport hilft sie im Endeffekt auch nicht. Sie dient in erster Linie dem prestigeträchtigen Leistungssport.
Diese einseitige Nutzung neuer Vorzeigebauten muss ein Ende haben, das können wir uns aus Gründen der Finanzen, aber auch des Baustoff- und Flächenmangels nicht mehr leisten. Spätestens seit einem Jahr wissen wir aber, dass wir uns das auch aus Gründen des Unterhalts nicht mehr leisten können. Die Energiepreise sind zu hoch, um weitere Bauten für einzelne Events vorzuhalten.
Wie wollen wir der Bürgerschaft erklären, dass wir eine neue Leichtathletikhalle bauen und gleichzeitig Schulturnhallen wie die SC-Halle für Monate sperren, weil wir die Renovierungsarbeiten nicht gebacken bekommen?

Und wenn wir unsere Infrastruktur nicht nachhaltig auf die vielen prognostizierten zusätzlichen MitbürgerInnen und neuen Gewerbegebiete anpassen können, dann ist es in unseren Augen nicht nur legitim, sondern dringend notwendig, echte Stadtentwicklung statt stetiges Wachstum zu fordern.
Sonst wird jede CO2-Einsparung durch weiteren Zuwachs egalisiert.
Sonst kommen die Natur- und Erholungsräume in unserer Stadt endgültig unter die Räder.

Mut … zur rechtlichen Ausweisung von Naturräumen!

Das zeigt sich beispielhaft bei zwei aktuellen Beschlüssen: Ich frage Sie: „Wurde in den vergangenen Jahren stringent versucht, als wertvoll geltende Grün- und Naturflächen hieb- und stichfest zu sichern? Wurde dafür der Flächennutzungsplan angepasst?“ Nein?
Dann war das eine vertane Chance. Denn wäre das erfolgt, wäre der Aufschrei der Naturschützer bei der Bebauung des Biotops an der Lilienthalstraße im Westen und bei der Diskussion um ein Leercontainerareal im Osten nicht so massiv ausgefallen. Doch solange Biotope nur in städtischen Verwaltungspapieren ohne bindende Rechtskraft als „nicht zu bebauende Flächen“ geführt werden, solange damit gezeigt wird, wie wenig die Krise des Artensterbens zu richtigen politischen Entscheidungen führt,
solange werden wir die Rodungen und Versiegelungen anprangern.

Mut … zu echter Klimaneutralität!

Dieses Haushaltspaket beinhaltet weiterhin hohe Finanzausgaben für Prestigebauten, für Parkhäuser, für Erschließungsstraßen und Infrastruktur für neue Gewerbegebiete am Stadtrand.

Dieses Haushaltspaket beinhaltet aber weiterhin keine Millionen um die Klimaneutralität 2030, bzw. 2035 zu erreichen und endlich eine echte Energiewende einzuleiten und umzusetzen.

Bis heute gibt es keine parallel vorgestellten Natur-Haushaltspläne und keine mit konkreten Jahreszielen versehenen Klimahaushaltspläne.
Ein fossilfreier Umbau der Rewag spielt weiterhin keine Rolle und Wärmekonzepte in den Stadtteilen stecken noch in den Vorplanungsphasen.
Hieraus ergeben sich aber Folgekosten, die in den nächsten Jahren zwangsläufig zusätzlich in ein aufgeblähtes IP gepackt werden müssen. Umso wichtiger wäre es deshalb, im Sinne der Kostenwahrheit die Klimaneutralität 2030/35 sorgfältig durchzuplanen und diese Beträge dann schnellstmöglich auch im Haushalt abzubilden und in der mittelfristigen Finanzplanung zu berücksichtigen.
Aufgrund dieser Mängel lehnen wir den Haushalt sowie das Investitionsprogramm und die Mittelfristige Finanzplanung ab. Dem Personalplan sowie den freiwilligen Leistungen stimmen wir zu.

Mut … zu breiter Zusammenarbeit und neuen demokratischen Mehrheiten!

Und ich appelliere an Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen und an unsere Oberbürgermeisterin mit den Worten meiner Kollegin Astrid Lamby in ihrer Rede vor drei Jahren: Denken wir, denken Sie mutig einen Schritt voraus - über die nächsten sechs Jahren hinaus, ohne Gedanken an die nächste Wahl. Denn das können wir uns nicht mehr leisten.

Mein Kollege Joachim Graf hat vor drei Jahren als Alterspräsident die Amtskette an die frisch gewählte Oberbürgermeisterin überreichen dürfen und dazu eine kurze Rede gehalten. Darin prognostizierte er Ihnen, Frau Oberbürgermeisterin, einen sechsjährigen Hindernislauf, für den er Ihnen auch den notwendigen Mut wünschte.
Wenn ich den heute in der vorangegangenen Sitzung auf den Gipfel getriebenen Zwist in der Koalition beobachte kann ich an die Koalitionäre nur appellieren, über den Tellerrand hinauszublicken und quer über Koalitionsgrenzen hinweg nach Mehrheiten unter allen demokratisch gesinnten StadträtInnen zu suchen. Der Stadtrat ist ein Kollegialorgan, vergessen wir das nicht!

Lassen Sie uns gemeinsam für das nachhaltige Wohl unserer Stadt arbeiten