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Haushaltsrede des Referenten für Wirtschaft, Wissenschaft und Finanzen und Stadtkämmerers Prof. Dr. Georg Stephan Barfuß

- Es gilt das gesprochene Wort -

I.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ein turbulentes Jahr geht zu Ende – wieder mal! Ich habe an anderer Stelle unlängst davon gesprochen, dass wir in einer VUKA-Welt leben. Eine Welt, die geprägt ist von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Wenn Ihnen die Welt der Strategieplanung etwas befremdlich erscheint, lassen Sie mich es mit den Worten von Joachim Ringelnatz sagen: „Sicher ist, dass nichts sicher ist – selbst das nicht.“

Vor diesem Hintergrund verzichte ich auf eine ausgefeilte, makroökonomische Darstellung der Situation der Weltwirtschaft und deren Auswirkung auf unseren Regensburger Wirtschaftsstandort. Der gesunde Menschenverstand ist hier vollkommen ausreichend: aktuelle und potentielle Risiken für die Weltgemeinschaft und somit für die Weltwirtschaft sind allgegenwärtig und häufen sich in beunruhigendem Ausmaß. Jede der folgenden Risiken allein wäre schon herausfordernd, sie konfrontieren uns aber in ihrer Gesamtheit: so ist die Pandemie noch lange nicht ausgestanden und der Corona-Virus mutiert munter weiter. China ist leider dabei, sich vom strategischen Partner zum Gegner zu entwickeln, vielleicht sogar zum Feind – inklusive militärischer Herausforderungen (Stichwort Taiwan). An der Ostflanke Europas zieht neben den Verwerfungen mit Belarus eine politische, vielleicht sogar militärische Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine auf. Unsere Europäische Union, zumal die Eurozone, ist zutiefst zerstritten: wohin entwickeln sich Inflation, Zinsen, die Vergemeinschaftung der Schulden – was wird aus der Taxonomie? Außerdem: Wie gehen wir in Europa mit der wieder ansteigenden Zahl an Menschen um, die in ihren Heimatländern keine Zukunft mehr sehen und deswegen in wachsender Zahl vor Europas Toren stehen? Wie wird sich die neue deutsche Bundesregierung in die europäische und globale Politik einfügen, wo setzt sie Akzente, wo wird es Konflikte geben? Und nicht zuletzt: gelingt uns die Grüne Transformation samt Digitalisierung, um die sich bereits abzeichnende Klimakrise in den Griff zu bekommen? Meine Damen, meine Herren: diese Themen mögen – zumal in der beschaulichen Vorweihnachtszeit – alle bequem weit weg und sehr theoretisch klingen. Sie schlagen aber 1:1 und mitunter schnell und brutal auf unsere exportorientierte Regensburger Wirtschaft durch, welche von freien Märkten und funktionierenden Lieferketten so sehr abhängig ist.

Zahlen sind immer komprimierte Information. Finanzzahlen das Ergebnis einer Summe von Ereignissen und Entscheidungen, welche dann letzten Endes zum Beispiel in Kennzahlen wie „Gewerbesteuer“, „Investitionen“ oder „Verschuldung“ münden. Lassen Sie uns daher nun einen Blick auf die finanzielle Situation der Stadt Regensburg, richten: unseren Haushalt.

II.

Was die wichtigste Kennzahl für Regensburg angeht – das Gewerbesteueraufkommen – so können wir mit Erleichterung sagen: wir sind wieder auf Vorkrisenniveau! Die Gewerbesteuer wird in 2021 voraussichtlich 199 Mio. EUR einbringen. Im letzten Vorkrisenjahr – 2019 – belief sich die Gewerbesteuer auf 166 Mio. EUR, in Corona-Krisenjahr auf 93 Mio. EUR, und nun in 2021 also auf 199 Mio. EUR. Nach Herausrechnung von Sondereffekten dürfen wir mit einer Absprungbasis für die zukünftige Entwicklung von rund 170 Mio. rechnen. Mit anderen Worten: Wir haben ein lupenreines „V“ hingelegt, ein schneller Absturz – ich sprach hierbei immer von der „Kellertreppe“, die wir nach unten gestolpert sind – gefolgt von einem überraschend schnellen Aufstieg. Wie lässt sich so ein turbulentes „V“ erklären?

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren: die Unternehmen in Regensburg haben Hervorragendes geleistet. Es ist ihnen gelungen, sich erfolgreich in einem extrem schwierigen Umfeld zu behaupten. Egal ob zerschossene Lieferketten, ungekannte Preissteigerungen bei einzelnen Rohstoffen oder Halbfertigwaren bis hin zu deren gänzlichen Nichtverfügbarkeit, sich ständig ändernden Vorgaben im Hinblick auf den Infektionsschutz, Kurzarbeit hoch, dann wieder runter, Schichten planen, Schichten verwerfen. Das Jahr 2021 war wirklich extrem herausfordernd! Liebe Unternehmerinnen und Unternehmer – egal ob Gastronom, Hotelier, Einzelhändler, ob Handel, mittelständischer Familienunternehmer oder global tätiger Konzern – und auch: liebe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, liebe Selbständige: Sie alle haben einen verdammt guten Job gemacht! Sie haben sich reingehängt, alles gegeben, Arbeitsplätze gesichert, Gehälter bezahlt, Perspektiven gegeben und schließlich die Produkte und Dienstleistungen geschaffen, die das Leben lebenswert machen – das alles kann nicht hoch genug angerechnet werden. Vielen herzlichen Dank dafür.

Meine Damen meine Herren, ich muss nicht erwähnen, dass wir als Stadt Regensburg an dieser hervorragenden Leistung, an diesem unvorstellbaren Kraftakt in Form von endlich wieder steigenden Steuereinnahmen partizipieren. Lassen Sie mich unzweifelhaft und dankbar feststellen: die Unternehmen in Regensburg haben ihren Job gemacht!

III.

Was die Finanzen angeht, möchte ich auch einen weiteren Dank aussprechen, dieses Mal an den Bund und unseren Freistaat Bayern. In der tiefsten Corona-Krise, im Jahr 2020, waren es die Kompensationsleistungen von Bund und Freistaat, welche uns über das tiefe Tal der Tränen geholfen und die auf 93 Mio. EUR eingebrochene Gewerbesteuer ausgeglichen und um 104 Mio. EUR aufgestockt haben. Eine gewaltige Hilfestellung, die dazu beigetragen hat, dass wir letztes – und auch dieses Jahr – die Krise meistern konnten. In diesem Jahr 2021 sind wir wieder stark genug, um kaum mehr von der nochmals ausgestreckten Hand des Freistaats – der Bund hält sich dieses Jahr vornehm zurück - Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Die Kompensationsleistungen sind nur mehr minimal, was auch in Ordnung ist, weil sich unsere Steuereinnahmen im Vergleich zu 2020 kräftig erholt haben. Dennoch ist das Signal wichtig und es tut gut: der Freistaat Bayern lässt seine Kommunen nicht im Regen stehen! Meine Damen, meine Herren: lassen Sie mich auch hier konstatieren: auch der Bund respektive der Freistaat haben ihren Job gemacht!

IV.

Liebe Kolleginnen, und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie werden es geahnt haben: wir kommen nun zu dem Punkt, wo wir uns in Bezug auf die Finanzen der Frage stellen: haben wir, hat die Politik in Regensburg, hat die Stadtverwaltung, hat die Kämmerei ihren Job gemacht? Und zeigt sich das im Haushalt des Jahres 2022 sowie der mittelfristigen Finanzplanung bis 2025?

Nun, lassen Sie mich zuerst die Zahlen benennen, bevor wir zur Beurteilung kommen. Der Haushalt 2022 ist ein Rekordhaushalt, zum ersten Mal überschreiten wir in Regensburg die Marke von 1 Mrd. EUR! Das Gesamtvolumen beläuft sich auf 1.001,7 Mio. EUR (+4,3% im Vergleich zum Vorjahr), wobei rund 759,6 Mio. EUR (+2,2% i.V.z.V.) auf den Verwaltungshaushalt und 242,1 Mio. EUR (+11,5% i.V.z.V.) auf den Vermögenshaushalt entfallen. Zuerst zum Verwaltungshaushalt, also unseren laufenden Kosten.

Mit den anvisierten 759,6 Mio. EUR in 2022 setzt sich der Aufwuchs unseres Verwaltungshaushaltes weiter fort. Größte Position ist und bleibt der Block der Personalaufwendungen, welche mit 260,2 Mio. EUR (+3,5% i.V.z.V.) gut ein Drittel des gesamten Verwaltungshaushaltes ausmachen. Die Logik der kameralen Haushaltsführung sieht vor, dass die Einnahmen einer Kommune ausreichen, die laufenden Ausgaben zu decken – um dann mit der sogenannten „freien Spitze“ Investitionen im Vermögenshaushalt zu finanzieren. Meinen Damen, meine Herren: es war vor allem die erfreuliche Entwicklung der Gewerbesteuer (sowie eine Senkung der Bezirksumlage), die dazu führt, dass wir die Deckungslücke im Verwaltungshaushalt deutlich reduzieren konnten. Planerisch gehen wir aber trotzdem im Haushalt 2022 davon aus, dass wir mit einer Unterdeckung von rund 12 Mio. EUR rechnen müssen. Und auch in der mittelfristigen Finanzplanung bis einschließlich 2025 gehen wir Jahr für Jahr von einer leichten Unterdeckung aus. Mit anderen Worten: es gelingt uns trotz planerisch steigender Gewerbesteuereinnahmen im gesamten Mittelfristzeitraum nicht, unsere laufenden Kosten im Verwaltungshaushalt zu decken. Es bleibt keine „freie Spitze“, kein Geld „schwappt“ aus dem Verwaltungshaushalt über in den Vermögenshaushalt, um dort unser Investitionsprogramm zu finanzieren.

Was haben wir im Investitionsprogramm (IP) vor? Im Haushaltsjahr 2022 haben wir uns innerhalb des Vermögenshaushaltes Investitionsmaßnahmen in Höhe von rund 162,0 Mio. EUR vorgenommen. Das ist ein Anstieg von 28 Mio. EUR (+21% i.V.z.V.) gegenüber dem laufenden Jahr 2021. Die positive Nachricht ist, dass wir 64 Mio. EUR davon nunmehr selbst finanzieren – zwar nicht durch einen Überschuss aus dem Verwaltungshaushalt, aber durch eine Entnahme aus unserer Allgemeinen Rücklage, die ich liebevoll als „Sparschwein“ zu bezeichnen pflege. Der Rest wird sich in 2022 wohl wie gewohnt über Zuschüsse (rund 23%) respektive Neuverschuldung (rund 37%) finanzieren. Summieren wir die weiteren Jahresscheiben des Investitionsprogramms bis 2025, stellen wir ein Gesamtvolumen des IP von rund 771 Mio. EUR (+12% i.V.z.V.) fest! Auch das ist Rekord, noch nie hat sich Regensburg höhere Investitionen vorgenommen. Leider sind wir planerisch nicht mehr in der Lage, den in 2021 und 2022 darstellbaren Griff ins Sparschwein zur teilweisen Finanzierung dieses IP-Maßnahmen aus in den Folgejahren zu wiederholen. Wir werden die weiter geplanten rund 609 Mio. EUR über Zuschüsse, sowie eben den Anstieg der Schuldenlast erhöhen. Wenn wir von einer vollständigen Umsetzung unseres IP von 771 Mio. EUR ausgehen, dann steigt die Verschuldung der Stadt Regensburg von 137 Mio. EUR in 2022 auf rechnerisch 482 Mio. EUR in 2025.

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

Sie werden auf solche eine Entwicklung der Schuldenlast reflexartig mit dem Argument kontern: die Umsetzung dieses Rekord-IP geling uns sowieso nicht! Da kann ich Ihnen nur beipflichten: ja, da haben Sie recht. Es wird genauso wie mit den IPs aus den vorangegangenen Jahren nicht gelingen, alles in der vorgegebenen Zeit auch tatsächlich umzusetzen. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen: das IP beinhaltet nebst reinem Mengenrisiko (sprich: einige Projekte werden nicht zur Umsetzung kommen) auch noch ein massives Preisrisiko! Die eingangs kurz dargelegte makroökonomische Entwicklung macht einen deutlichen Anstieg der Bau- und Materialpreise äußerst wahrscheinlich, in Teilen schlägt er sich schon spürbar heute in den Zahlen nieder. Wenn wir Glück haben, heben sich diese beiden Effekte gegenseitig auf - Preissteigerungen auf der einen Seite, nicht umgesetzte Projekte auf der anderen - aber auf solch externe Entwicklungen sollten wir uns besser nicht verlassen. Was mich zu meiner Bewertung kommen lässt: haben wir (die Politik, die Stadtverwaltung, die Kämmerei) unseren Job gemacht?

V.

Nun, die Antwort muss aus meiner Sicht ehrlicherweise lauten: nur zum Teil, da geht noch was!

Eine kurze, zugegebenermaßen karikierte Zuspitzung der Finanzsituation.

Verwaltungshaushalt: der Anstieg der laufenden Kosten setzt sich weiter fort: +2% i.V.z.V. Auch in den finanziell schwierigen Zeiten ist es nicht gelungen, tatsächlich zu sparen, sprich: unsere Kostenseite in Einklang mit unserer Einnahmenseite zu bringen! Wir mögen den Kostenanstieg gebremst haben, den generellen Trend gestoppt haben wir nicht.  

Meine Damen, meine Herren, diesen neuralgischen Punkt hat übrigens auch unsere stets wachsame Rechtsaufsichtsbehörde, die Regierung der Oberpfalz, im Blick. Beim kürzlich eingegangenen Genehmigungsschreiben zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 im November hat die Regierung ungeschminkt konstatiert: „es scheint der Stadt bisher kaum gelungen, die von uns bereits mehrfach angeführte gesetzliche Vorgabe, wonach Mittel der allgemeinen Rücklage zum Ausgleich des Verwaltungshaushaltes nur herangezogen werden dürften, wenn alle Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft und jede Sparmöglichkeit ausgenutzt wurde, einzuhalten.“ Dieser Kritik ist auch seitens des Kämmerers nichts hinzuzufügen.

Verstehen Sie mich aber bitte nicht falsch: wir haben im Rahmen des „Stufenplans Finanzielle Stabilisierungsmaßnahmen“ schon einige Projekte gemeinsam auf den Weg gebracht. Ich erinnere hier an den Beginn des Jahres 2021, als wir 40% der Direktorats- und Referatsbudgets entnommen und in die Allgemeine Rücklage überführt haben: ein Einmaleffekt, der rund 9,4 Mio. EUR einbrachte. Weiterhin möchte ich die Haushaltswirtschaftliche Sperre im Sächlichen Verwaltungs- und Betriebsaufwand erwähnen, welche wir für 2021 vereinbart haben: dadurch sparen wir aufs Jahr gerechnet rund 3,6 Mio. EUR. Außerdem haben wir gemeinsam eine Reduktion von Teilen des Personalkostenbudgets von 3,5% für 2022 vereinbart. Das sollte rund 4,5 Mio. zur Entlastung unseres Verwaltungshaushaltes beitragen. Zu guter Letzt darf ich an die jüngsten Erfolge unseres strategischen Fördermittelmanagements erinnern: hierzu zählen unsere erfolgreichen Bewerbungen für Fördergelder im Bereich REACT_EU (EU-Innenstadtinitiative der Bayerischen Staatsregierung), der Zuschlag für das Modellprojekt Smart City (Bundesministerium des Inneren) sowie der Sonderfond „Innenstädte beleben“ (Städtebauförderung des Freistaats Bayern). Dadurch erreichen wir einen beachtlichen Entlastungseffekt für unsere Verwaltungs- und Vermögenshaushalte über die gesamten Projektlaufzeiten. Meine Damen, meine Herren: diese Erfolge verdienen Anerkennung und wir können darauf aufbauen!

Allerdings reichen unsere bisherigen Bemühungen nicht aus: in Summe gelingt es lediglich, die Unterdeckung unseres Verwaltungshaushaltes zu reduzieren – Sie erinnern sich an die oben genannten rund 12 Mio. EUR, welche uns in 2022 für die laufenden Kosten fehlen, und daran, dass die Unterdeckung über den gesamten Planungszeitraum bis 2025 anhält. Umso wichtiger wird der Erfolg des bereits im letzten Jahr aufgesetzten Projektes des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes (BKPV): dieser führt derzeit einen Benchmark für uns durch, sprich: wir vergleichen die personelle Ausstattung unserer Ämter mit denen von vergleichbaren Städten in Bayern wie z.B. Augsburg oder Würzburg. Gepaart mit der einhergehenden Aufgabenkritik (übrigens auch in Bezug auf unsere städtischen Töchter) sollten wir dann im Ergebnis einen fundierten Überblick darüber haben, wo wir im Vergleich mit anderen Kommunalverwaltungen Potentiale für Einsparungen, Umschichtungen sowie (Re-)priorisierung haben; und wo wir Aufgaben weiterführen respektive reduzieren werden – um somit eine Entlastung der mit rund einem Drittel der Gesamtkosten des Verwaltungshaushaltes zu Buche schlagenden Personalkosten angehen können.  Eine Maßnahme, die - wenn sie beherzt durchgeführt wird – einen entscheidenden Schritt für die Konsolidierung unserer Finanzen beitragen kann.

Vermögenshaushalt: in den finanziell schwierigsten Zeiten der letzten 12 Jahre treten wir mit einem Rekord-Investitionsprogramm von 771 Mio. EUR an. Dieses liegt noch deutlich über den 749 Mio. EUR aus dem Boom-Jahr 2018. Selbstverständlich sind auch hier schon Preiseffekte (sprich: inflationäre Entwicklungen in den Material- und Baukosten) zum Teil enthalten. Und auch wenn wir weiterhin eine boomende, wachsende Stadt sind, welche bestimmte Investitionen unabdingbar macht: in Summe sind die 771 Mio. für mich als Kämmerer deutlich zu hoch. Zumal ich an die Haushaltsreste in Höhe von rund 123 Mio. EUR erinnern muss, welche zwar finanziert sind, aber kapazitativ zusätzlich zu den 771 Mio. EUR schweren IP-Maßnahmen in die Umsetzung gebracht werden müssen. Die Kehrseite dieses ambitionierten IPs ist die rechnerische Verschuldung von 482 Mio. EUR in 2025. Nun ist Verschuldung nicht automatisch schlecht – es kommt auf die aktuelle Höhe, die Entwicklung sowie die Verwendung der eingesetzten Gelder an. Und hier kann man angesichts des vorliegenden IPs trefflich streiten. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns eine Tatsache nicht vergessen: die Transformation hin zu einer nachhaltigen und digitalisierten Gesellschaft - der wir uns ja richtigerweise mit unserem Green Deal Regensburg sowie als Smart City Modell-Gemeinde verschrieben haben - wird in zukünftigen Haushalten ihren Raum fordern. Diese Effekte sind derzeit noch wenig in Euro und Cent beziffert und daher nur in geringem Umfang eingepreist. Sie werden aber in Zukunft eine umso höhere Berücksichtigung in unserem Haushalt finden müssen. 

Lassen Sie mich an dieser Stelle nochmals unsere Regierung der Oberpfalz zu Wort kommen und aus dem besagten Genehmigungsschreiben zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 zitieren: „Die Stadt ist umgehend gefordert, ... jede geplante Investition kritisch auf ihre derzeitige Erforderlichkeit hin abzuwägen.“

VI.

Meine Damen, meine Herren, ich komme zum Fazit.

Ja, wir erfahren eine spürbare Erholung der finanziellen Situation – im Vergleich zu den zurückliegenden Stamm- und Nachtragshaushalten seit 2020 hat sich vor allem die Einnahmenseite, konkret: die Gewerbesteuer, deutlich erhöht. Zudem entlastet uns auch die Senkung der Bezirksumlage. Dies gibt uns „Luft zum Atmen“ und wir können abseits hektischer Schnellschüsse in Ruhe das angehen, was ich als „strukturelles Defizit“ bezeichne. Dazu gehört, dass wir

  • unseren Verwaltungshaushalt in der Mittelfristplanung wieder in Abgleich bringen
  • im zweiten Schritt mittelfristig die Investitionen zunehmend wieder aus der freien Spitze finanzieren und so langfristig wieder
  • die allgemeine Rücklage auf-
  • sowie die bis dahin angehäuften Schulden abbauen.

Meine Damen, meine Herren: das alles ist keine Zahlenspielerei, kein Selbstzweck. Finanzielles Kapital ist politisches Kapital. Gerade in unsicheren Zeiten – Stichwort VUKA-Welt vom Beginn meiner Rede – ist es von entscheidender Bedeutung, sich klar zu machen, was man beeinflussen kann und was nicht.

Was im Gegensatz zu geostrategischen Entwicklungen (Stichwort „China“ oder „Eurokrise“) eindeutig in unserer Hand liegt: selbst einen klaren Kurs zu steuern, Schwerpunkte statt Schwerflächen zu haben. Und nicht zuletzt: sich selbst so aufzustellen, dass man agil und anpassungsfähig ist. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren: Diese Beweglichkeit werden wir dringend brauchen. Zwar zeigt der Methodik der Prognostik geschuldet unsere Einnahmenseite (zum Beispiel die Gewerbesteuer, oder die Anteile an der Umsatzsteuer, etc.) im gesamten Betrachtungszeitraum stabil und linear nach oben. Aber niemand in diesem Raum wird so naiv sein zu glauben, dass die Jahre bis 2025 „einfach so durchlaufen“ werden. Nein, Agilität und Anpassungsfähigkeit werden zu überlebenswichtigen Kompetenzen der Zukunft - auch bei den Finanzen. Stellen Sie sich die jetzige Situation ohne unsere allgemeine Rücklage vor! Ohne die derzeit noch sehr niedrige Verschuldung samt daraus abgeleiteter exzellenter Bonität der Stadt Regensburg! Beides sind „Sicherheitspuffer“, die wir derzeit dringend brauchen und massiv in Anspruch nehmen, um handlungsfähig zu bleiben.

Der Erfolg oder Misserfolg unserer Finanzpolitik bemisst sich letzten Endes daran, ob der Erhalt dieser Handlungsfähigkeit gelingt. Ich bin zutiefst überzeugt: Nur, wenn wir das finanzielle Kapital weiterhin zur Verfügung haben, können wir politisches Kapital ins Feld führen – und guten Gewissens sagen: ja, auch wir haben unseren Job gemacht.

In diesem Sinne, meine Damen, meine Herren, bitte ich um Ihre Zustimmung für das Ihnen vorliegende Haushaltspaket und um Ihre Mitwirkung auf dem weiten und beschwerlichen Weg der finanziellen Konsolidierung.

Bis dahin wünsche ich uns allen schöne Feiertage, eine besinnliche Zeit und freue mich auf die gemeinsame Arbeit zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unserer wunderschönen Stadt Regensburg. Lassen Sie uns das Jahr 2022 positiv begrüßen und mit Leib und Seele unserer Aufgaben und unserer Verantwortung nachgehen.

Herzlichen Dank.