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Volkstrauertag 2023

Rede von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich der Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag am 19. November 2023 um 11.45 Uhr

-Es gilt das gesprochene Wort-

 

Anrede

ich begrüße Sie sehr herzlich zur diesjährigen Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages.

„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“ – So lautet ein berühmtes Zitat von Willy Brandt. Wie recht er damit hatte, zeigt sich jeden Tag, wenn wir die Nachrichten einschalten:

Dem menschenverachtenden, durch nichts zu rechtfertigenden terroristischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober sind unzählige unschuldige Zivilisten – Männer, Frauen, Kinder, ja sogar Babys – zum Opfer gefallen.

Wir sehen die Bilder der Ermordeten und der Verschleppten. Wir hören die Interviews mit verzweifelten Angehörigen, die ihre Liebsten verloren haben oder um ihr Leben bangen. Wir fühlen mit den Menschen, die sich in Israel, im Gazastreifen (genauso wie wir auch) nichts weiter wünschen als ein friedliches Leben für sich und ihre Kinder. Und die nun einem Ausbruch der Gewalt ausgesetzt sind, der ihnen dieses normale Leben unmöglich macht.

Und nach wie vor besteht die große Gefahr, dass sich dieser Krieg wie ein Flächenbrand ausbreitet und unzählige weitere Menschen ins Unglück stürzt.

„… alles ist ohne den Frieden nichts.

Währenddessen wütet in der Ukraine weiterhin der Krieg, den Wladimir Putin mit seinem brutalen, völkerrechtswidrigen Überfall am 24. Februar 2022 begonnen hat. Tausende Tote und Millionen Vertriebene bislang sind eine bittere Bilanz, die uns sprachlos zurücklässt.

Auch in unserer Partnerstadt Odessa leiden die Menschen unter diesem Krieg. Die Schilderungen, die mein Amtskollege Gennadiy Trukhanov aus Odessa mitgebracht hat, als er vor einigen Wochen bei uns in Regensburg zu Gast war, haben mich tief bewegt und stehen mir immer noch vor Augen.

„…alles ist ohne den Frieden nichts.“

Aber: Frieden allein ist auch nicht alles. Es muss ein guter, ein stabiler, ein dauerhafter Frieden sein.

„Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg.“ – Das Motto, das über dem diesjährigen Volkstrauertag steht, nimmt Bezug auf das 60-jährige Jubiläum des Elysée-Vertrags, das wir Anfang des Jahres feiern durften.

Am 22. Januar 1963 unterzeichneten Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle im Élysée-Palast in Paris den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und setzten damit einen wichtigen Meilenstein dafür, dass aus den einstigen Erbfeinden Deutschland und Frankreich Partner und Freunde wurden, die sich gemeinsam für ein dauerhaft friedliches Europa einsetzen.

Neben regelmäßigen Treffen hoher Regierungsvertreter beider Seiten und Absprachen in der Verteidigungs-, Außen- und Europapolitik sah der Vertrag insbesondere eine enge Kooperation in der Jugend- und Kulturpolitik vor.

Begegnungen ermöglichen und fördern – das war ein wichtiges Ziel.

Einen wichtigen Beitrag zu diesen Begegnungen leistet das Deutsch-Französische Jugendwerk, das im Juli 1963 gegründet wurde: Fast 10 Millionen junge Menschen haben seither an den Programmen dieser Organisation und ihrer Partner teilgenommen. Sie studieren die Sprache des Nachbarlandes, engagieren sich in grenzüberschreitenden Projekten, lernen beim Schüleraustausch die Lebensweise des jeweils anderen kennen und schließen Freundschaften, die mitunter ein Leben lang halten.

Zu diesen Begegnungen beigetragen haben auch die zahlreichen Partnerschaften zwischen französischen und deutschen Städten, die über die Jahrzehnte geschlossen worden sind. Mehr als 2.200 sind es mittlerweile. Auch Regensburg pflegt seit 1969 eine Städtepartnerschaft mit dem französischen Clermont-Ferrand.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die deutsch-französische Aussöhnung und die europäische Einigung in den Jahrzehnten nach 1945 mag vielen wie ein Wunder vorgekommen sein.

Schließlich hatten sich die Länder zuvor in mehreren Kriegen unerbittlich bekämpft. Lange Zeit hätte sich wohl kaum jemand vorstellen können, dass diese Geschichte blutiger Auseinandersetzungen mit unzähligen Opfern und Verletzungen auf beiden Seiten jemals überwunden werden könnte und an Stelle der vielzitierten „Erbfeindschaft“ eine Partnerschaft, ja eine Freundschaft treten würde.

Wie schön wäre es, wenn es für die Kriege, die unsere Welt aktuell erschüttern, irgendwann auch ein solches „Wunder“ gäbe. Wenn es gelänge, den Hass und die Feindschaft zu überwinden und einen Frieden zu schaffen, der diesen Namen wirklich verdient. Einen Frieden, der mehr ist als die Abwesenheit von Krieg.

Dabei dürfen wir, die wir das riesige Glück haben, hier in Frieden leben zu können, niemals vergessen, wie wenig selbstverständlich, wie verletzlich dieser Frieden ist. Wie sehr wir auf ihn aufpassen müssen.

Unterschiedliche Meinungen, verschiedene Sichtweisen und durchaus auch kontroverse Diskussionen – all das gehört zu unserer Demokratie dazu, ja es ist sogar ein Kern unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. 

Wer aber andere respektlos behandelt, sie nicht toleriert oder gar zu Gewalt aufruft, bewegt sich nicht innerhalb dieser Ordnung. Wenn auf deutschen Straßen die abscheulichen, menschenverachtenden Verbrechen der Hamas gefeiert werden und das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird, dann fällt das nicht unter Meinungsfreiheit. Es ist unerträglich und beschämend und darf nicht ohne Konsequenzen bleiben!

Solcher Hass und solche Hetze haben bei uns keinen Platz! Dagegen müssen wir fest zusammenstehen – das gilt auch für uns als Stadtgesellschaft.

Regensburg ist eine weltoffene, eine bunte Stadt, in der sich alle zuhause fühlen dürfen – unabhängig von ihrer Nationalität, ihrem Glauben, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung. Es ist unsere Aufgabe, für diese Offenheit einzustehen und denen, die daran etwas ändern wollen, keinen Millimeter Raum zu geben.

Diese Wachsamkeit sind wir auch all denen schuldig, an die wir heute am Volkstrauertag erinnern – und für die ich nun das Totengedenken spreche:

Wir denken heute
an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken
der Soldaten, die in den Weltkriegen starben,
der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer,
die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, 
Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer,
die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern
um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer,
die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind.

Wir gedenken
der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.

Wir trauern mit allen, 
die Leid tragen um die Toten und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.