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Holocaust Gedenktag 2022

Sehr geehrte Regensburgerinnen und Regensburger,
Mitglieder der jüdischen Gemeinde,
Repräsentanten der christlichen Kirchen,
Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Organisationen und Initiativen der Gedenkkultur,
Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte des Von-Müller-Gymnasiums und des Regental-Gymnasiums Nittenau,
Frau Gözde Karababa,
liebe Gäste zuhause vor den Bildschirmen.

Herzlich willkommen zur diesjährigen Veranstaltung anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, diesmal – leider wieder einmal dem Infektionsschutz geschuldet – als Live-Stream aus dem Historischen Reichssaal des Alten Rathaus.

Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager, das Todeslager Auschwitz-Birkenau. Auf dem Gelände befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch etwa 7.000 Menschen. Mehr als eine Million Menschen wurden dort zwischen März 1942 und November 1944 ermordet. Auschwitz steht heute als Begriff für den nationalsozialistischen Rassenwahn und symbolisiert wie kein anderer Ort die Verbrechen der Nationalsozialisten.

Im Jahr 2005 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution zum Gedenken an den Holocaust, den 27. Januar eines jeden Jahres zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Damit sind alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen aufgerufen, das Andenken der Holocaustopfer und der Überlebenden zu ehren.

Als Stadtgesellschaft sind auch wir heute wieder zusammengekommen, wenn auch „hybrid“ hier im Reichssaal und draußen an den Bildschirmen, um allen Opfern unsere Ehre zu erweisen. Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen, Zeugen Jehovas, Menschen mit Behinderung, Kriegsgefangenen, politischen Gegnern und vielen weiteren Menschen. Wir setzen ein Zeichen für ein friedliches Miteinander. Wir können und wollen unter diese Zeit unserer Geschichte niemals einen „Schlussstrich“ ziehen.

„Wie die Gaskammern und Krematorien erinnert uns die ‚Rampe‘ von Auschwitz an die Herausforderung, nicht nachzulassen in unserem Streben, ein weltoffenes, tolerantes Deutschland zu schaffen und zu erhalten“. Das hat der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder 1999 in seiner Erklärung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus gesagt. 

Aber immer öfter muss man heute hören: „Ist es nicht langsam genug mit dem ewigen Erinnern?“ – „Es lebt doch eh bald keiner mehr aus dieser Zeit.“ – „Das passiert doch nie wieder.“ – „Stimmt das denn wirklich alles, dass das so passiert ist?“

Wenn aber heutzutage nicht nur Personen aus der rechten Szene, sondern auch Politiker vermeintlich demokratischer Parteien meinen, sie könnten den Holocaust, seine tiefgehende Bedeutung und seine grausame Einzigartigkeit relativeren – spätestens dann ist Handeln gefragt. Diese Menschen beleidigen nicht nur das Andenken der Opfer, sie bieten mit ihren Aussagen den neuen Rechtsextremen des 21. Jahrhunderts eine Bühne!

Wir müssen uns weiterhin mit allen Kräften dafür einsetzen, dass Terror und Schrecken des Dritten Reiches und des Holocaust niemals in Vergessenheit geraten.

Denn gerade auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, erleben wir einen neuen Höhepunkt antisemitischer Aussagen und Relativierungen der Verbrechen an der Menschheit durch das Naziregime. Das verdeutlicht uns einmal mehr, wie viel mehr wir hier tun müssen, welcher Einsatz von uns gefordert ist.

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und speziell mit der NS-Geschichte leistet einen wichtigen Beitrag zu unserer Demokratie. Etwa um Inhalte kritisch hinterfragen zu können oder Lehren zu ziehen. Aber auch, um aktuelle gesellschaftliche Themen anders bewältigen zu können.

Es geht nicht nur darum, ob man sich erinnert, sondern vor allem darum, wie man sich erinnert. Unterricht muss so gestaltet sein, dass Jugendliche aus der Geschichte Schlüsse für ihr eigenes Leben ziehen können. Deshalb sind insbesondere aktivierende Methoden wie Projektarbeit oder auch der Besuch eines außerschulischen Lernortes so wichtig.

Ich freue mich deshalb ganz besonders auf die Präsentation von zwei Schulprojekten.

  • Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 d des Von-Müller-Gymnasiums gedenken in ihrem Film der verschiedenen Opfergruppen des Nationalsozialismus und erzählen Geschichten und Biographien von Regensburger Opfern.
  • Die Klasse 10 a des Regental-Gymnasiums Nittenau hat sich in ihrem Projekt dem Aufbau eines digitalen Denkmals gewidmet. Das Projekt #everynamecounts wurde von den Arolsen Archiven initiiert, die zum UNESCO Welt-Dokumentenerbe gehören, und die weltweit zu größten Archiven für Dokumente über die Opfer und die Überlebenden des NS-Regimes zählen. Ihr Projekt haben die Schülerinnen und Schüler der 10 a ebenfalls in einem Film festgehalten.

Diese außerschulischen Projekte zeigen, wie wichtig es ist, dass wir vor allem auch junge Menschen mit diesem Thema erreichen. Denn zum einen gehört ihnen die Zukunft, und zum anderen sind sie oft besser darin als wir Älteren, die Dinge zu durchdringen und zu verstehen.

Ohne Geschichte gibt es keine Zukunft!

Und Geschichte, das sind eben nicht nur Fakten – das sind Menschen und ihre Schicksale, ihre Gefühle, ihre Erinnerungen! 

Davon wird uns Frau Gözde Karababa erzählen, die ein Jahr lang für Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. in New York Holocaust Überlebende betreut hat. Ein herzliches Willkommen an Sie, Frau Karababa, und vielen Dank für Ihren Beitrag, der uns die Geschichte, aber vor allem auch die Zukunft des Erinnerns vor Augen führt.

 Ich darf Sie alle noch auf eine Ausstellung aufmerksam machen, die ab morgen, also vom 28. Januar bis zum 7. Februar, auf dem Haidplatz zu sehen sein wird. Die Ausstellung heißt #lastseen und wurde von den Arolsen Archiven entwickelt. Bilder der Deportationen aus dem Deutschen Reich zwischen 1938 und 1945 stehen im Zentrum. Ein historischer LKW bringt #lastseen in Orte und Städte, in denen Deportationen stattgefunden haben.

Ein wichtiger Aspekt des Projektes ist es, den unzähligen Menschen, die in die Todeslager deportiert wurden – viele davon auch aus Regensburg – Namen und Gesichter zu geben.

Damit verbindet sich auch ein Appell, an Sie, liebe Regensburgerinnen und Regensburger. Denn vielleicht können einige von ihnen aktiv einen Beitrag dazu leisten, dass sich in den Arolsen Archiven weitere bloße Zahlen und namenlose Gesichter in Namen und die damit verbundenen Geschichten verwandeln können. Jeder, der die Ausstellung besucht, ist nämlich aufgefordert, in den Bildern nach ihm bekannten Menschen zu suchen und gegebenenfalls Namen, Hintergrund und Geschichte zu ergänzen. Und natürlich wäre es auch wichtig, wenn der Bestand des Archivs durch weitere Fotos aus Privatbesitz oder aus privaten Archiven ergänzt werden könnte.

Denn nur dann, wenn wir aus Namen und Zahlen Menschen und ihre ganz persönliche Lebensgeschichte entstehen lassen, wird sich der Zweck der Erinnerungskultur erfüllen. Nur so kann aus den dunkelsten Stunden unserer Geschichte eine lebenswerte Zukunft erwachsen!

Nochmals vielen Dank für Ihre Teilnahme an der heutigen Veranstaltung. Lassen Sie uns nie vergessen, was war, und gemeinsam dafür Sorge tragen, dass es nie wieder passieren kann.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!