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Haushaltsrede der ÖDP-Fraktionsvorsitzenden Astrid Lamby

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Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,                                     

sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer,

werte Vertreterinnen und Vertreter der Medien,

 

Oft hat die ÖDP-Fraktion schon zum Umbruch aufgerufen, zum Aufbruch in eine neue, in eine andere Haushaltspolitik. Eine Politik, die nicht das Wachstum an erste Stelle setzt, sondern eine langfristig-nachhaltige Stadtentwicklung.

Und bevor Sie jetzt abschalten, weil Sie erwarten, dass es jetzt moralinsauer wird: ich kann Sie beruhigen. Ich fange gleich einmal an mit dem Sparen – und spare Ihnen und mir weitere Ausführungen zu Corona und zum Loch in der Kasse und setze dies als bekannt voraus.

Wie sich in den letzten Jahren gezeigt hat, kann vom jeweils vorgegebenen Investitionsprogramm nur ein Umfang von ca. 500 Mio. € solide abgearbeitet werden. Das hätte schon lange Chancen für ein Umlenken eröffnet – doch die hohen Einnahmen haben immer neue Wünsche geweckt – für eine politische Neuausrichtung war die Zeit vielleicht noch nicht reif.

Wie versprochen: ich werde nicht über Fehler der Vergangenheit lamentieren, ich möchte nun über die Chancen reden, die Chancen, die aus jeder Krise erwachsen. Ok, wir müssen sparen. Das kann man aber auf verschiedene Arten tun: man kann einfach Dinge nicht tun und Projekte streichen. Man kann es aber auch ganz anders angehen und kreativ sparen, innovative Ideen umsetzen und Projekte und Pläne neu denken. Das möchte ich hier an ein paar Beispielen ausführen.

1. Stadtplanung und öffentliche Gebäude

Wir haben viele Pflichtaufgaben zu erledigen. Wir können uns niemals davor drücken, Schulen zu bauen und auszustatten.

Und das werden wir auch müssen, der Schulentwicklungsplan lässt keine Zweifel daran. Die Generalsanierung der Von-der-Tann-Schule und die Erweiterung der Pestalozzischule können wir aufschieben, nicht einsparen. Wie ein Damoklesschwert schwebt über uns die Sorge, andere wichtige Dinge nicht mehr tun zu können, die unsere Stadt auch dringend braucht – z.B. Räume für Vereine und Bürgerinitiativen zu schaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie stimmen mir sicher alle zu: das wollen wir doch nicht aufgeben! Wir müssen also die Kür- in die Pflichtaufgaben integrieren. Stellen wir uns einmal vor, wir schaffen es bei einem Schulneubau die Aula nebst Multimedienraum separat zu bauen. Und abends hält der Imkerverein seine Jahresversammlung in der Aula ab oder eine Bürgerinitiative zeigt einen Film im Medienraum. Lassen Sie uns diesen Gedanken noch weiterspinnen: wir wollen die Stadtteile weiterentwickeln und dort Raum für Kultur und Begegnung schaffen. Grünflächen als Lebens- und Erholungsraum sind da nicht wegzudenken. Was liegt näher, auch dafür schon vorhandene Flächen zu nutzen? Jeder Stadtteil hat seine Grundschule – mit Sportflächen, mit Pausenhof, meistens schon mit viel Grün. Nehmen wir die neue Haushaltslage zum Anlass, hier das Sparen neu zu denken. Denn an Wochenenden und in den Ferien sind all diese Flächen ungenutzt. Kinder könnten auf Pausenhöfen das Radfahren lernen, Vereine ihr Sommerfest auf dem Sportplatz abhalten. Und bitte sagen Sie jetzt nicht gleich: Aber, aber...

Wir werden uns nicht mehr alles leisten können, was schön und gut wäre. Wir müssen uns sicher von vielem verabschieden – ich denke z.B. an die Leichtathletikhalle. Aber wir können so viel mehr für einen Stadtteil, z.B. im Stadtosten tun, wenn Zentren für bürgerschaftliches Engagement und Grünflächen entstehen.

Und wenn wir rechtzeitig Großprojekte einsparen, haben wir noch die finanzielle Flexibilität, hier und da ein wenig mehr zu investieren und einen Mehrwert herauszuholen. Und übrigens: wenn Stadtteile aufgewertet werden, verbringen Menschen ihre Freizeit gerne dort, wo sie wohnen. Der Freizeitverkehr nimmt dann schlagartig ab – ein weiterer günstiger Nebeneffekt...

2. Verkehr

Hier ein kreuzungsfreier Radweg, schwebend über dem KFZ Verkehr, dort eine weitere Fahrspur oder eine Brücke wie der Holzgartensteg? Die Haushaltslage wird auch diese Projekte auf die lange Bank schieben. Nun können wir mit „Warten auf bessere Zeiten“ reagieren und jammernd passiv bleiben. Oder wir überlegen uns auch hier, wohin wir wollen und wie wir trotzdem dahin kommen. Wir haben schon viele Verkehrsflächen versiegelt – wenn wir neue bauen, entstehen ja nicht nur die Baukosten. Wir schaffen weitere Flächen, die wir dauerhaft unterhalten müssen. Den Unterhalt werden wir (und da sind wir wieder bei den Pflichtaufgaben) für bestehende Flächen auf jeden Fall leisten müssen. Und jetzt machen wir wieder ein Gedankenspiel: wir sparen uns neue Verkehrsflächen, die wir bauen und unterhalten müssen, allerdings: bei jeder Instandhaltungsmaßnahme denken wir nun die Verkehrsführung neu. Wir markieren die vorhandenen Flächen anders. Eine der vorhandenen Spuren bekommt der Bus. Er fährt am Stau vorbei und hält der Stadtbahn schon einmal die Trasse frei. Und der Rad- und Fußverkehr bekommt mehr Raum. Das Ummarkieren und Umorganisieren der bestehenden Flächen wird viel weniger kosten, als jeder Neubau. Und es wird den Mix der Verkehrsarten automatisch hin zum Umweltverbund verschieben. Mitte Oktober hat das Wuppertal Institut Untersuchungsergebnisse vorgelegt, dass nur mit einer Halbierung des Autoverkehrs, gekoppelt mit einem massiven Ausbau von Wind- und Sonnenenergie das 1,5°-Ziel zu erreichen sein wird. Warten wir nicht auf morgen – wir können jetzt damit anfangen! Jetzt können wir uns von der Krise zum Aufbruch zwingen lassen und viel schneller eine nachhaltige Verkehrsentwicklung erreichen! Und was können wir im Verkehrsbereich noch sparen? Parkplätze, besonders teure Parkhausneubauten wie an der Gräßlschleife, auf dem Jakobigelände oder am Dultplatz. Ist das der Untergang der Altstadt? Nein, denn wir reformieren auch das Parkraummanagement. Eine Busfahrt in Zone 1 muss immer günstiger sein, als Kurzzeitparken in der Innenstadt. Und nach unseren Ummarkierungsmaßnahmen, wenn die Busse flott am Stau vorbeifahren, wird es auch attraktiv sein umzusteigen. Wer aus dem Umland kommt und kostenfrei am Stadtrand auf einem Park-and-Ride-Parkplatz steht, nutzt natürlich viel lieber als bisher den Shuttlebus in die Innenstadt. Weil´s nämlich günstig ist und schneller geht!

Und dann ist es auch kein Problem mehr beim Parkraummanagement den Bestand neu, anders und kreativ nutzen, z.B. als Quartiersgaragen und -parkplätze. Anwohnerinnen und Anwohner parken also in den bestehenden Parkhäusern, der Straßenraum in der Innenstadt wird (nahezu) autofrei. Die Altstadt wird davon nur profitieren, denn die Aufenthaltsqualität steigt und der stressfreie Einkauf belebt das Geschäft.

 3. Wirtschaftliche Entwicklung

 Nun begebe ich mich aufs Minenfeld der wirtschaftlichen Entwicklung. Ein bisschen verschrien sind wir ÖDP-ler ja als nicht allzu wirtschaftsfreundlich – und werden dabei leider meist völlig missverstanden! Wir sind ja nicht total blauäugig. Wir haben natürlich verstanden, dass die Stadt Einnahmen braucht und Gewerbesteuern einen Großteil davon ausmachen. Aber im wirtschaftlichen Bereich haben wir eine strukturelle Fehlentwicklung der letzten Jahrzehnte zu korrigieren.

Weltweit agierende Konzerne haben uns in den fetten Jahren unser Stückchen vom Profit-Kuchen abgegeben. Und den meisten hier hat das sehr gut geschmeckt. Aber wer in guten Zeiten vom Weltmarkt profitiert, den trifft eine weltweite Krise ungleich härter. Die Abhängigkeit der Regensburger Betriebe vom Export hat sich auch vor Corona schon negativ bemerkbar gemacht. Und auch hier können wir jetzt und sofort anfangen umzubauen. Wenn meine Kollegen und ich Ihnen letztes oder vorletztes Jahr, als die Kassen voll waren, davon erzählt hätten, hätten Sie nur den Kopf geschüttelt. Jetzt sollten wir auch hier kreativ sparen. Wir sparen es uns, im großen Stil neue Gewerbeflächen auszuweisen. Flächen sind ein knappes Gut, zusätzliche Flächenversiegelung ist ein No-Go beim Klimaschutz. Auch hier werden wir kreativ mit dem Bestand umgehen und die natürliche Fluktuation nutzen müssen, um anderes, nachhaltiges Gewerbe anzusiedeln. Unternehmen aus dem Bereich der regenerativen Energien zum Beispiel. Und immer, wenn wir Quartiere planen oder umgestalten, sollte in den Erdgeschossen Platz für Betriebe sein. Der Handwerks- und Dienstleistungsbereich muss in den Stadtteilen Platz finden. Dort, wo ich wohne, muss ich bekommen, was ich zum Leben brauche – z.B. die Änderungsschneiderei oder den Schlüsseldienst. Kurze Wege machen den Alltag einfach und minimieren das Verkehrsaufkommen: wir müssen und wollen leben, wo wir wohnen!

So, und nun von meinen Gedankenspielen zurück zum Haushalt 2021:

Ich stelle fest: Ansätze unserer Ideen kann man im Haushalt finden, wenn man ein bisschen sucht. Die Zero-Waste-Strategie ist eine davon. Was in dieselbe Richtung geht, ist die geplante Reform im Personalbereich.

Sie, Frau Oberbürgermeisterin, wollen, ich zitiere „Mit dem Kamm durch die Personalstruktur gehen“. Auch hier werden wir nicht mit weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Arbeit erledigen können. Aber wir werden genau schauen, wie mehr Vernetzung, gute Ideen und konkrete Einsparungen, die Verwaltung entlasten können. „Ausmisten“ bei verschleppten Projekten und alten Konzepten kann und muss Platz für Neues schaffen.

Das Sparen-müssen ist schon angekommen.

Was noch fehlt: der mutige Blick auf ein neues Zukunftsmodell. Da uns diese Neustrukturierung noch fehlt, werden wir das Investitionsprogramm ablehnen, dem Haushalt, der mittelfristigen Finanzplanung und dem Stellenplan aber zustimmen. Die Haushaltssatzung ist ja – auch pandemiebedingt – in unserem Sinne zumindest etwas abgeschmolzen. Wir zählen auf Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir diese historische Chance ergreifen: lassen Sie uns zusammen kreativ sparen!

Vielen Dank.