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Haushaltsrede der Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

wir sind in einer außergewöhnlichen Situation und außergewöhnlich ist auch die Sitzung des Stadtrates zur Haushaltsberatung in diesem Jahr. Wegen des Ernstes der Lage im Corona-Pandemiegeschehen und des seit gestern geltenden „harten Lockdowns“ des öffentlichen und privaten Lebens wird es in dieser Sitzung keinen Vortrag der Haushaltsrede der Oberbürgermeisterin und des Kämmerers geben, und auch die Fraktionsvorsitzenden und Einzelstadträt*innen werden auf ihren Vortrag verzichten, darauf haben wir uns parteiübergreifend verständigt.

Alle Reden können zu Protokoll gegeben und als Video, als Audiofile oder schriftlich auf der städtischen Homepage veröffentlicht werden – so wie diese Rede.

Natürlich kann und soll keine Stadträtin und kein Stadtrat daran gehindert werden, sich zu einem Tagesordnungspunkt zu Wort zu melden. Es muss Jede und Jeder für sich selbst entscheiden, ob man angesichts der Situation, in der die Ansteckungsgefahr vor allem in geschlossenen Räumen hoch ist, die Sitzungsdauer verlängern oder abkürzen will.

Das Jahr 2020 war in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderes: Die Aufstellung des Haushalts für das kommende Jahr 2021 und die mittelfristige Investitions-und Finanzplanung hat uns deshalb vor große Herausforderungen gestellt.

Wir standen im Frühjahr 2020 – mitten im Kommunalwahlkampf –  plötzlich vor Problemlagen, die wir alle uns noch im Vorjahr nicht hätten vorstellen können. 

Das Virus hat unser Leben gravierend verändert und die Folgen der Pandemie werden schon jetzt als die schwerste Wirtschaftskrise weltweit seit dem Ende des 2. Weltkriegs beschrieben.

Der neu gewählte Stadtrat und die Stadtverwaltung mussten und müssen sich mit immer neuen Herausforderungen der Pandemie auseinandersetzen.

Viele Menschen leisten derzeit Außergewöhnliches bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Mein Dank gilt allen, die dazu beitragen diese Krise zu meistern, sei es als Mitarbeitende im Gesundheits- und Pflegebereich, bei Feuerwehr, Rettungsdiensten und Hilfsorganisationen, in Krisenstäben, bei Polizei und Justiz, als Personal zur Sicherstellung der öffentlichen Infrastruktur, in öffentlichen Einrichtungen und Behörden, als Mitarbeitende in Kitas und Schulen, in der Grund- und Lebensmittelversorgung oder in der Logistik.

Würden all diese Menschen nicht Tag für Tag unermüdlich arbeiten – wir könnten diese Krise wohl nicht überstehen.

Und es gibt in unserer Stadt eine große Zahl von Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, um denen, die Hilfe brauchen, durch die Krise zu helfen. Sie telefonieren mit Einsamen, erledigen Einkäufe für Seniorinnen und Senioren, kochen und verteilen Essen an Bedürftige, kümmern sich um die Bereitstellung von Masken, Hygieneartikeln, Lebensmitteln, Computern und Vielem mehr.

Ihnen allen sage ich ein herzliches Dankeschön!

 

Die Pandemie stellt uns vor enorme Herausforderungen und bis heute ist noch nicht absehbar, wann eine Besserung der Situation eintreten wird.

Zusätzliche finanzielle Aufwendungen sind notwendig, um die Krise und deren Auswirkungen vor Ort zu bekämpfen. Gleichzeitig drohen massive Einnahmeverluste, vor allem bei der Gewerbesteuer, und das mindestens für die kommenden drei oder vier Jahre.

Wie sehen die Rahmenbedingungen aus, unter denen wir unseren Haushalt aufgestellt haben?

Schon im vergangenen Jahr mussten wir auf sinkende Einnahmen blicken, vor allem aus der Gewerbesteuer. Gründe sahen wir in der allgemeinen weltwirtschaftlichen Lage, im Handelsstreit zwischen China und den USA, im drohenden Brexit mit ungewissen Folgen und vor allem im Transformationsprozess der Automobilindustrie mit Auswirkungen auf die Zulieferindustrie.

Die Rede war von einer „Delle“ und wir waren zuversichtlich, dass sie bald wieder überwunden sein würde.

Doch die Coronakrise spitzt die Situation dramatisch zu:

Betroffen von der wirtschaftlichen Krise sind nun fast alle Bereiche. Gastronomie, Hotellerie, Künstler*innen und Kulturschaffende, Tourismus-, Veranstaltungs- und Messebranche, Fitness-, Sport und viele mehr.

Der harte Lockdown jetzt vor Weihnachten trifft besonders den Einzelhandel in seiner umsatzstärksten Zeit mit unabsehbaren Folgen, vor allem auch für unsere Altstadt.

Neben Steuerausfällen kommen für den städtischen Haushalt auch Ausfälle bei Eintrittsgeldern und Gebühren hinzu. Weitere Einnahmeverluste verzeichnen die städtischen Tochterunternehmen, vor allem die Bäder und die Verkehrsbetriebe, doch auch das Theater und die Regensburg Tourismus GmbH.

Schon im laufenden Haushaltsjahr 2020 sinken unsere Gewerbesteuereinnahmen von geplanten 166 Millionen Euro auf 94 Millionen Euro, ein Verlust von fast 44 Prozent. Nur durch die Kompensation der Gewerbesteuerausfälle und angesichts der Entlastung bei den Sozialkosten und dem öffentlichen Personennahverkehr durch Bund und Freistaat ist unser Haushalt in diesem Jahr ausgeglichen.

Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Sozialleistungen, Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, während finanzielle Mehraufwendungen für Hygiene, Gesundheits- und Infektionsschutz, Katastrophenschutz und kommunalen Ordnungsservice nötig sind.

Keiner kann sicher sagen, wie sich die Wirtschaftsdaten entwickeln werden. Nach allem was wir heute wissen und schätzen können, werden wir in den nächsten Jahren gezwungen sein, unsere Rücklagen, über die wir dank guter Finanzpolitik der letzten Jahre verfügen, zum Ausgleich des Haushalts einzusetzen.

Das bedeutet, dass wir alle unsere Investitionen durch Kreditaufnahmen werden finanzieren müssen.

Diesen Schritt müssen wir gehen, doch Regensburg ist eine starke, innovative Stadt mit bester Bonität und Perspektive. Ich bin daher absolut zuversichtlich, dass wir mit gemeinsamen Anstrengungen gut aus dieser Krise herauskommen werden.

Ich bin überzeugt, dass vor allem kommunale Investitionen eine erhebliche Rolle spielen, um der Krise vor Ort begegnen zu können. Darum fordere ich gemeinsam mit dem Städtetag, dass der Staat auch die Investitionsfähigkeit der Kommunen absichert.

Gerade in der Krise müssen Kommunen stark sein für ihre Bürger*innen und die Wirtschaft.  Die Städte müssen handlungsfähig bleiben, um der Pandemie mit lokalen Maßnahmen begegnen zu können und langfristig negative Folgen, was ein Herunterfahren der Investitionen zwangsläufig mit sich bringen würde, zu vermeiden.

Es ist auch ein Verfassungsauftrag, Kommunen handlungsfähig zu halten: Dazu müssen die finanziellen Belastungen der Städte und Kreise durch Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise im Rahmen des Konnexitätsprinzips gegenfinanziert werden.

Die finanzielle Zusage des Bundes und des Freistaates, um den Einbruch bei den Gewerbesteuern auszugleichen, muss auch mindestens für die nächsten Jahre 2021 und 2022 ausgesprochen werden.

Das, was eine funktionierende Stadtgesellschaft ausmacht, darf nicht verloren gehen.

Unsere Stadt ist der Lebensmittelpunkt für die Bürgerinnen und Bürger. Wir dürfen den Blick nicht nur auf die notwendigen Pflichtaufgaben lenken - das würde zu einem Verlust von Lebensqualität in unserer Stadt führen.

Auch deshalb müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit freiwillige Leistungen für Kultur, Sport, Soziales, Jugend und Freizeit weiterhin möglich bleiben.

Es geht vor allem auch um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, um Solidarität.

Meine Sorge gilt hier den Bürger*innen, die es ohnehin nicht leicht haben zurechtzukommen, die Unterstützung und Zuwendung brauchen. Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern muss die Chance auf Bildung gewahrt bleiben, Menschen mit geringem Einkommen dürfen nicht an den Rand gedrängt werden, alte Menschen brauchen auch weiterhin Unterstützung im Alltag und menschliche Zuwendung.

Die Krise trifft alle Bereiche und eine Stadtgesellschaft, in der das Leben pulsiert hat. Unsere wachsende, wirtschaftlich erfolgreiche, durch ihre Kultur und ihre unvergleichliche Atmosphäre attraktive Stadt darf nicht auseinanderbrechen.

Gleichzeitig dürfen die drängenden Herausforderungen, wie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, der drohende Klimawandel und die notwendige Verkehrswende nicht in den Hintergrund geraten.

In dieser Situation stehen wir nun vor der Aufgabe, den Haushalt der Stadt Regensburg für das Jahr 2021 und das Investitionsprogramm und die mittelfristige Finanzplanung bis ins Jahr 2024 aufzustellen.

Ich bin mit dieser Koalition angetreten, um in einer absehbar wirtschaftlich schwieriger werdenden Lage gemeinsam Verantwortung für diese Stadt zu übernehmen. Wichtig ist jetzt, mit Besonnenheit Stabilität zu schaffen. Es ist keine Zeit für Experimente, aber auch keine Zeit für Mutlosigkeit und Stillstand.

Einfach alle noch nicht begonnenen Investitionsmaßnahmen zu streichen oder drastisch zu kürzen, die Ausgabenansätze im Verwaltungshaushalt zu kürzen, einen Einstellungsstopp zu verfügen sind deshalb keine Lösungen.

Wir haben das Investitionsprogramm 2020 bis 2024 mit 667 Millionen Euro zwar gegenüber dem bisher gültigen für 2019 bis 2023 mit noch 721 Millionen Euro gekürzt, aber für mich und die Koalition gilt unverrückbar:

Wir müssen weiter investieren in Bildung und Kinderbetreuung, in notwenige Infrastruktur und in Zukunftsprojekte für eine positive Entwicklung unserer Stadt, für Nachhaltigkeit und Klimaschutz.

Deshalb kürzen wir die Investitionen nicht

  • für moderne, gut ausgestattete Schulen und Kindertagesstätten, die der nach wie vor steigenden Nachfrage gerecht werden
  • für den Ausbau der städtischen Infrastruktur vom Kanalsystem bis hin zu guten Straßen, dem Ausbau des Radwegenetzes und Infrastruktur für die Anforderungen der Digitalisierung
  • für den öffentlichen Nahverkehr mit erweiterten Linien und in Zukunft immer mehr emissionsfreien Bussen, den Zentralen Busbahnhof und die Stadtbahn

Die Finanzlage macht es aber erforderlich, dass wir Projekte schieben müssen.

Beispielsweise muss der Bau der geplanten Leichtathletikhalle um ein Jahr, die Sanierung des Velodroms um zwei Jahre, der Holzgartensteg genauso wie die Generalsanierung des Historischen Museums auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Auch einige Schulsanierungen müssen leider geschoben, nicht aber gestrichen werden.

Diese Entscheidungen habe ich mit der Koalition schweren Herzens getroffen - und sobald sich die finanzielle Lage bessert, werden wir die Projekte auch wieder in Angriff nehmen.

Eine große Aufgabe der nächsten Jahre wird die Konsolidierung des Verwaltungshaushalts werden.

Gerade in der Krise hat sich wieder gezeigt, wie wichtig eine gut funktionierende Verwaltung ist. Und anders als bei manchen Unternehmen haben sich unsere „Auftragsbücher“ in den letzten Monaten nicht geleert, sondern sind im Gegenteil voller geworden. Die Aufgaben haben sich nicht reduziert, sondern weitere sind hinzugekommen.

Für das hohe Engagement aller städtischen Mitarbeiter*innen bin ich sehr dankbar. Mitarbeiter*innen der stark beanspruchten Bereiche - ich nenne stellvertretend für alle das Amt für öffentliche Ordnung mit Versammlungswesen, Infektionsschutz und kommunalem Ordnungsservice, das Rechtsamt, die Kämmerei, die Berufsfeuerwehr mit Katastrophenschutz, das Amt für Informations- und Kommunikationstechnik, das Jugendamt, die Schulen, das Amt für Tagesbetreuung von Kindern, das Amt für Soziales, das Bürgerzentrum/Wahlamt, das Kulturamt, das Personalamt mit dem Pandemiestab und die Pressestelle - sind über sich hinausgewachsen und haben Enormes geleistet, außergewöhnlichen Einsatz gezeigt und auch viel Kreativität an den Tag gelegt.

Dafür an dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön!

Wie bereits geschildert, müssen wir in den nächsten Jahren unsere Rücklagen einsetzen, um den Verwaltungshaushalt auszugleichen. Deshalb müssen wir die Ausgabenseite und auch die immer weiter steigenden Personalkosten genau in den Blick nehmen, um mittel- bis langfristig handlungsfähig zu bleiben.

Das bedeutet nicht, dass Mitarbeiter*innen entlassen werden. Wir werden eine Organisationsuntersuchung durchführen und haben den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband angefragt, uns in diesem Prozess zu begleiten.

Wir werden gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen und der Politik Fragen diskutieren wie: Was muss eine Verwaltung neben den Pflichtaufgaben leisten? Was müssen oder wollen wir darüber hinaus leisten? Aber auch: Wie kann Verwaltung effektiver arbeiten, wie können Verwaltungsvorgänge vereinfacht werden? Wie können sich E-Governement und die Digitalisierung auswirken? Wo können wir Mitarbeiter*innen entlasten trotz wachsender Aufgaben? Wie wird sich der demographische Faktor auswirken? 

Wie sich die Einnahmeseite entwickeln wird, kann heute keiner sicher sagen, wir alle haben keine Glaskugel.

Die Schriftstellerin Luise Rinser hat einmal gesagt:

„Krisen sind Angebote des Lebens, sich zu wandeln. Man braucht noch gar nicht zu wissen, was neu werden soll. Man muss nur bereit und zuversichtlich sein.“

Ich habe diese Zuversicht, dass Regensburg dank der Stärke seiner vielen, kreativen Unternehmen, seinem innovativen Potential in der Wissenschaft, seiner bestens funktionierenden Verwaltung, vor allem aber dank seiner Menschen die besten Voraussetzungen für eine kraftvolle Entwicklung nach oben hat.

Gemeinsam wird uns der Weg aus der Krise in eine positive Zukunft gelingen.

Ihre Gertrud Maltz-Schwarzfischer

Oberbürgermeisterin