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Haushaltsrede Stadträtin, Tina Lorenz

- Es gilt das gesprochene Wort -

Ich hab früher oft gewitzelt, meine letzte Haushaltsrede würde sich vor allem mit den Absurditäten von Ihren vorhergegangenen Haushaltsreden befassen – ich würde alle Lateinzitate der letzten sechs Jahre aneinanderreihen oder alle doofen Sprachbilder, die wir hier gehört haben. Allein – es geht nicht. Es geht nicht, im Jahr 2019 vor demokratischen Kräften sprechen zu können, und das nicht zu nutzen.

Nächstes Jahr um diese Zeit wird ein Vertreter der AfD hier stehen, und Ihnen eine Haushaltsrede halten. Er wird mit großer Selbstverständlichkeit in Ihrer Mitte stehen, Sie provozieren, Sie beleidigen und versuchen, Ihnen seine Sprache aufzudrängen – und wenn Sie protestieren, wird er Sie totalitär und undemokratisch nennen, denn er sei ja demokratisch gewählt und dürfe deswegen alles. Ich stehe heute hier, um Sie daran zu erinnern, dass Demokratiefeinde Demokratiefeinde bleiben, auch wenn sie demokratisch gewählt sind. Denn das ist die AfD und ihre perfide Strategie: sie werden nicht kommen, um mit uns um Entscheidungen, Konsens oder Kompromisse zu ringen, um mit uns im Rahmen demokratischer Grundlagen zu streiten – die AfD wird nicht kommen, um nach den Regeln zu spielen. Sie wird kommen, um das Spiel zu beenden. Ihr Ziel ist Machtergreifung, sie operieren nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Sie werden versuchen, die Spielregeln demokratischer Willensbildung als Hebel zu nutzen, um sie zu schwächen.

Deshalb stehe ich hier, um sie daran zu erinnern, dass Sie der AfD nichts schuldig sind: Sie müssen den Burschenschaftlern, den PEGIDA-Rednern, den Identitären, die jetzt aufgestellt sind, nicht die Hand geben. Sie müssen nicht neben ihnen sitzen, Sie müssen sie nicht - wie uns die demokratischen Stadtratskollegen aus Halle grade bewiesen haben - in den Aufsichtsräten unserer Tochtergesellschaften dulden. Sie sind der AfD kein Rederecht schuldig, kein Entgegenkommen und: keine Toleranz. Lassen Sie sich nicht darauf ein, etwas zu normalisieren, was nicht normal ist.

Seien Sie stattdessen mißtrauisch und fordern Sie stetig und öffentlich das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ein: sie muss die Grundlage jeder Entscheidungsfindung in diesem Kollegialorgan sein; lassen Sie sich auf keinen Antrag, keinen Wortbeitrag ein, der die Menschenrechte und das Grundgesetz mißachtet und mit Füßen tritt. Lassen Sie sich nicht darauf ein, über scheinbar harmlose Anträge der AfD zu diskutieren und ihr rhetorisches Framing, ihre Narrative und ihre Sprache zu übernehmen. Sprechen Sie nicht mit, sondern nur über die AfD.

Seien sie auch mißtrauisch gegenüber Leuten,  die die freie Presse als vierte Macht im Staat ablehnen, denn öffentlicher Widerspruch und öffentliche Meinungsbildung ist ein wesentlicher Teil des demokratischen Prozesses. Verlangen Sie das unbeschränkte Bekenntnis zum Rechtsstaat. Und glauben Sie keinem Demagogen, der dann, wenn er zu Recht von demokratischen Prozessen und Entscheidungen ausgeschlossen wird, sich selber zum Opfer deklariert und laut brüllt, die anderen wären ja die totalitären. Glauben Sie mir, Sie sind es nicht.

Eine Demokratie muss wehrhaft sein, und sie schuldet Nazis keinen Platz in ihrer Mitte. Sie und Ihr Ringen um Kompromisse im demokratischen Prozess ist das Einzige, was noch zwischen der AfD und der von ihnen herbeigewünschten Welt steht, in der für sehr viele von uns keinen Platz mehr wäre.

Das ist auch der Grund, warum ich heute dem Haushaltsentwurf zustimmen werde. Nicht, weil ich alles darin toll fände – beileibe nicht. Ich finde die vielen geplanten Betonklötze mit Autos drin auch nicht so heiß. Aber in demokratischen Prozessen geht es nicht ums Gewinnen, oder ums Verlieren. Es geht um das Ringen um Richtung, darum, die Gegenwart zu prägen und die Zukunft gestalten zu können – gemeinsam. Und wenn ich hier etwas gelernt habe, dann, dass alle Entscheidungen im Grunde reversibel sind. Die Zukunft ist erst festgelegt, wenn sie Gegenwart geworden ist und so ist das mit den Parkhäusern auch. Die Regensburger und Regensburgerinnen haben sich schon in der Vergangenheit als aktive Teile einer demokratischen Gesellschaft erwiesen und ich traue ihnen zu, dass sie auch in diesem Fall als lautstarkes Korrektiv ihrer eigenen Sache agieren werden.

Ich stimme dem Haushaltsentwurf heute vor allem deshalb zu, weil ich weiss, dass eine haushaltslose Zeit immer zuerst auf Kosten der freiwilligen Leistungen geht. Und hier – grade hier – müssen wir in nächster Zeit alles mobilisieren, was uns möglich ist, um weiterhin für den Wesenskern unseres Zusammenlebens streiten zu können. Wo, wenn nicht im kulturellen Bereich lernen wir soviel über Begegnung, und über die Überwindung von Differenzen, als durch die Mittel der Kunst? Welche Sprache ist universeller als die der Musik? Wo kann die offene Gesellschaft in all ihren Facetten besser thematisiert werden als auf der Bühne? Und was ist ein besseres Heilmittel für Geschichtsvergessenheit und Fake-News-Gläubigkeit als umfassende Bildung und Schulen, in denen unsere Kinder alle gemeinsam und mit gleichen Chancen lernen und aufwachsen können?

Eben.

Wir alle sind gefragt, unsere gesellschaftlichen Werte mit Leben zu füllen, und sich überall den Nazis und Neuen Rechten entgegenzustellen, wo sie Keile zwischen uns treiben wollen. Zu Ihrem Teil ab April 2020 trage ich heute meinen Teil bei. Und wenn ich nächstes Jahr aus dem Stadtrat ausscheide, sehen wir uns vielleicht ab und zu auf der Straße. Wundern Sie sich nicht, aber ich halte dann ein Schild hoch mit "Parks statt Parkplätze!" drauf. Wird ne Sause. Bringen Sie Kekse. Vielen Dank.