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Haushaltsrede Fraktionsvorsitzender ÖDP, Benedikt Suttner

- Es gilt das gesprochene Wort -

„Stadtrat und Stadtverwaltung berücksichtigen ab sofort bei allen Entscheidungen die Auswirkungen auf das Klima. Den Belangen des Klima-, Umwelt- und Artenschutzes wird bei allen Abwägungen ein hohes Gewicht eingeräumt. Es werden Lösungen mit den geringsten Klimafolgen angestrebt.“
Ja, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, werte Vertreterinnen und Vertreter der Medien und werte Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Entscheidung für den sogenannten „Klimavorbehalt“ fiel im September hier im Stadtrat einstimmig.
Ab sofort sind wir in unseren Entscheidungen nicht nur an die Finanzierbarkeit gebunden. Ab sofort geht es bei jeder Entscheidung auch darum, ob sie uns beim Kampf gegen die Erdüberhitzung dient, oder nicht.
Das ist neu und das ist dringend nötig. Schließlich haben wir uns als Stadt im Jahr 2017 im Leitbild Energie und Klima klar zur Einhaltung des 2°-Zieles von Paris verpflichtet.
Damit das gelingt, müssen wir wirklich radikal umsteuern. Damit Sie mich nicht falsch verstehen, werte Kolleginnen und Kollegen. Ich schätze die Zusammenarbeit mit Ihnen. Ich schätze sehr, was hier möglich ist: etlichen von unseren fast 90 Anträgen hier im Haus wurde in den letzten 5 ½ Jahren unverändert oder mit leichten Veränderungen mehrheitlich zugestimmt. Aber, und das sage ich an die Adresse von uns allen:
Wir brauchen einen Ruck für Klimagerechtigkeit!
Wir brauchen einen kommunalpolitischen Ruck für Klimagerechtigkeit und soziale Lebensqualität in unserer Stadt. Weil es jetzt schon 5 nach 12 ist, können wir nicht auf fröhlich-freiwilligen Klimaschutz unserer Mitbürger hoffen. Wir brauchen mutige politische Weichenstellungen!

Weil wir sehen, dass sich Jahr für Jahr enorme Haushaltsreste bilden, weil wir sehen, dass das IP aufgrund seiner Fülle nie und nimmer wie geplant abgearbeitet werden kann. Weil wir dies nicht einfach hinnehmen wollen, deshalb appellieren wir als ÖDP-Fraktion: Lassen Sie uns und der Verwaltung nach 50 Jahren Wachstum die Zeit geben, um die Infrastruktur nachhaltig aufzustellen statt immer Masse auf Zuruf zu liefern!
Mit einem Moratorium für groß angelegte Gewerbegebiete an die Wurzeln des Auto-Pendlerverkehrs herangehen!
Ein Moratorium für weitere groß angelegte Gewerbegebiete, was denkt sich die ÖDP denn dabei? Was fällt uns denn ein, so etwas zu fordern? Wer uns kennt, werte Kolleginnen und Kollegen, weiß natürlich: wir haben uns sehr wohl dabei etwas gedacht.
Wenn man erkennt, dass der MIV-Anteil Jahr für Jahr bei über 50% liegt, wenn man erkennt, dass zwischen 2014 und 2017 für 10.000 neue Einwohner auch 15.000 neue Autos angemeldet wurden und wenn man erkennt, dass uns als Menschheit die Zeit für den Kampf gegen die globale Überhitzung davonläuft,
dann muss man klare Kante zeigen – auch, wenn man damit aneckt. Das haben wir getan, und dazu stehen wir! Denn, wir müssen an die Wurzeln des Pendler-Autoverkehrs ran, wir müssen an die Wurzeln der grassierenden Versiegelung der letzten freien Flächen ran, und wir müssen endlich mal querdenken und nicht versuchen, mit den alten Rezepten neue Probleme zu lösen.

Statt Diskussion über neue Wege kam es zum ÖDP-Bashing!
Aber statt über neue Wege miteinander ins Gespräch zu kommen, kam es vor zwei Wochen hier im Stadtrat zum allgemeinen ÖDP-Bashing. Auch Sie, verehrter Kollege Artinger, beteiligten sich munter. Ich weiß ja nicht, ob Sie das mit Ihren eigenen Freunden aus anderen Kommunen auch so tun? Schließlich zieht der Münchener Stadtverband der Freien Wähler bei seiner Analyse der Münchener Wachstums-Situation anscheinend die gleichen Schlüsse wie wir, die ÖDP.
Mit dem stellvertretenden FW-Landesvorsitzenden Prof. Dr. Michael Piazolo stellen Sie einen Bündnissprecher des Münchener Bürgerbegehrens „Für ein lebenswertes München - Maßlose Nachverdichtung stoppen“. Er wirbt u.a. mit folgendem Argument für die Unterschrift der Bürger:
„Weniger Gewerbe. München braucht nicht noch mehr neue Arbeitsplätze. Wenn schon gebaut werden muss, dann bitte keine Gewerbeimmobilien, sondern Wohnungen oder Einrichtungen für Soziales, Gesundheit, Kultur, Kirche oder Sport.“ So steht es in einem Infoflyer des Bürgerbegehrens. Herr Artinger, Ihre Kollegen aus

München haben anscheinend erkannt, dass wir viel stärker über das Thema Lebensqualität sprechen müssen statt immer nur „Bauen, bauen, bauen“ zu rufen. Nehmen Sie sich daran ein Vorbild und lassen uns gemeinsam neue Wege gegen die Wohnungsnot denken!
Die Zivilgesellschaft nimmt ihre Kontrollaufgabe wahr!
Aber noch einmal zurück zum in meinen Augen wichtigsten politischen Begriff des Jahres 2019, zum „Klimavorbehalt“. Er bezieht sich auf das Energieleitbild. Und dort steht klipp und klar, dass der Anteil des PKW-Verkehrs bis 2030 um mindestens 10% reduziert werden soll. Das Leitbild soll dafür laut unseren beiden Bürgermeistern wie ein Kompass wirken, der verlässlich hilft, die Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.
Dabei komme der Zivilgesellschaft eine entscheidende Kontrollaufgabe zu. Ich zitiere: "Bleiben Sie kritisch und unbequem", möchte man den Bürgerinnen und Bürgern hier am liebsten zurufen. Wir stehen gemeinsam in der Verantwortung.“
Und prompt waren die Regensburgerinnen und Regensburger im Jahr 2019 kritisch und unbequem: Ich denke an Fridays-For-Future, ich denke an Menschenketten rund um die Altstadt, an bunte Fahrraddemos mit mehreren tausend Teilnehmern und an die größte je in Regensburg gesammelte Unterschriftenanzahl für den heute zur Abstimmung stehenden Radentscheid. Dieser wird heute angenommen, der Bürgerdruck ist selbst der SPD zu stark, um auszuweichen. Jetzt wird es darauf ankommen, wirklich Gelder in die zukünftigen IPs einzustellen und den Radverkehr prioritär zu fördern.
Die Gesellschaft steht zu ihrer Verantwortung. Und deshalb danke ich an dieser Stelle allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern für Ihr kritisches politisches und gesellschaftliches Engagement für die Lebensqualität in unserer Stadt.
Ich bin davon überzeugt: Die Mehrheit der Regensburgerinnen und Regensburger ist bereit für eine echte Verkehrsberuhigung. Es kann nicht mehr um die Umwandlung einzelner Wohnverkehrsstraßen in Fußgängerzonen gehen. Wir müssen endlich Nägel mit Köpfen machen. Autos müssen raus aus der Altstadt, soweit es irgendwie geht. Wir brauchen wieder Aufenthaltsqualität statt Feinstaub-, Lärm- und Abgas-Stress.
Die Bunte Koalition bremst die Verkehrswende aus!Doch just jetzt, unmittelbar vor der Kommunalwahl wird die bunte Koalition noch zahmer wenn es um die Verkehrswende geht:
Statt endlich Park & Ride nicht nur in Adventszeiten mit Shuttlebussen ans Zentrum anzubinden und als attraktive günstige Alternative zu stärken, wird erstens die kostenfreie Parkstunde aus Furcht vor dem Wähler beibehalten und zweitens auch die Stellplatzgröße für SUVs verbreitert.
Statt für neue Grünflächen, wertvollen Artenschutz, bessere Luftreinhaltung, attraktivere Buslinien, schnellstmögliche Lückenschlüsse für den Radverkehr und nachhaltige Mobilitätskonzepte für neue Wohnviertel spürbare Summen ins IP einzustellen, werden über 20 Millionen Euro für neue Parkhäuser fix eingeplant.
Statt wie in anderen Städten beherzt endlich die Verkehrsberuhigung der Altstadt anzupacken, wird die notwendige Ausschreibung auf die Zeit nach der Wahl verschoben.
Statt auch die Sallerner Regenbrücke nach den neuen Planungsverzögerungen unter Klimavorbehalt zu stellen, wird von der Mehrheit hier im Stadtrat weiterhin der Ausbau der A3 in Richtung Nittendorf gefordert.
Leider setzt aber das hier vorliegende Investitionsprogramm der bunten Koalition im Wesentlichen fort, was bisher war.
Ja, wir brauchen einen klaren politischen Standpunkt für Klimagerechtigkeit und soziale Lebensqualität. Wir brauchen echte Weichenstellungen, wir brauchen einen kommunalpolitischen Ruck.
Wir sagen JA zum Haushalt, aber weiterhin NEIN zum IP!
Aufgrund vieler wichtiger Projekte zur Daseinsvorsorge vor allem im Sozial- und Bildungsbereich stimmen wir dem Stellenplan, den freiwilligen Leistungen und dem Haushaltsplan zu. Aufgrund angemessener finanzpolitischer Antworten auf die Strafzinsphase stimmen wir auch der mittelfristigen Finanzplanung zu. Aufgrund der hier angesprochenen fehlenden Weichenstellungen im Verkehrsbereich lehnen wir das IP, wie bereits im vergangenen Jahr, ab.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!