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200 Jahre Eingemeindung Kumpfmühl

Rede für Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich des Jubiläums „200 Jahre Eingemeindung Kumpfmühl“ am 13. September 2018 im Historischen Reichssaal

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Wussten Sie, dass die Eingemeindung Kumpfmühls mit Abstand die erste in Regensburg war und alle anderen Eingemeindungen erst im 20. Jahrhundert erfolgten?

Das ist jetzt 200 Jahre her – 200 Jahre gemeinsame Geschichte.

Wie lange der Eingliederungsprozess Kumpfmühls tatsächlich dauerte, spielt vorerst keine Rolle. Davon handelt später der Vortrag von Stadtheimatpfleger Dr. Werner Chrobak. Ich hingegen freue mich einstweilen mit Ihnen über einen Stadtteil
mit Charakter und sehr ambitionierten Bürgerinnen und Bürgern.

Ob das Selbstbewusstsein der Kumpfmühlerinnen und Kumpfmühler etwas mit ihrem Geschichtsbewusstsein zu tun hat? –
Das würde die These unterstreichen, dass Menschen sich umso mehr mit ihrem Wohnort und ihrer Umgebung identifizieren,
je mehr sie sich mit seiner historischen Bedeutung beschäftigen.

Tatsächlich bin ich eine Anhängerin dieser These und davon überzeugt:

Sich seiner Geschichte zu vergewissern, macht stark für die Zukunft.

Archäologen habenauf Kumpfmühler Gebiet die älteste Besiedlung des heutigen Regensburger Stadtgebiets nachgewiesen.
Das war im 6. Jahrhundert vor Christus. Der älteste Regensburger ist also ein Kumpfmühler. Auch die römische Besiedelung Kumpfmühls mit einem Kastell in der Nähe der heutigen Wolfgangskirche ist rund 100 Jahre älter als das 179 n. Chr. angelegte Legionslager „Castra Regina“ an der Donau.

Allerdings fiel das Kumpfmühler Kastell bereits im Jahr 170 einem Angriff feindlicher Germanen zum Opferund wurde nicht wieder aufgebaut. Im kollektiven Gedächtnis der Kumpfmühler jedoch  hat das römische Kastell überdauert.

Seit dem 19. Jahrhundert gab es auf dem Königsberg, dem früheren Standort der Befestigung nördlich der Kirche St. Wolfgang immer wieder dokumentierte Bodenfunde: Werke römischer Kleinkunst, Geräte, verzierte Waffenteile und Ausrüstungsgegenstände, ja sogar Schauspielermasken.

1885 entdeckte der Pfarrer der Theresienkirche, Joseph Dahlem, ein römisches Bad mit hypocaustum, der typischen römischen Warmluftheizung. Ein sensationeller Fund, der dem Pfarrer den stolzen Titel „Begründer der wissenschaftlichen
römischen Lokalforschung Regensburgs“ einbrachte.

Sich mit Geschichte zu befassen, vor allem mit römischer und mittelalterlicher, war im 19. Jahrhundert modern. Gebildete Männer stellten historische Studien an. Sie fanden 1009 eine Urkunde mit der ersten urkundlichen Nennung Kumpfmühls unter dem Namen „Genstal“. Dieser Name muss noch bis ins 18. Jahrhundert hineingeläufig gewesen sein.

Der erste kolorierte Flurplan des Geländes südlich der Freien Reichstadt von 1585 ist im Findbuch unseres Stadtarchivs
unter dem Stichwort „Stadtgrundrisse Nr.1“ aufgeführt.

Der Plan zeigt Kumpfmühl als Straßendorf mit ein paar kleinen Häusern. Zwischen der mittelalterlichen Stadtbefestigung
und der südlich gelegenen Ansiedlung lagen sonst nur Wiesen, Felder und ein paar Straßen. Deutlich sieht man die Gabelung
von Kumpfmühler und Augsburger Straße. Bis zur Säkularisation gehörte Kumpfmühl als Hofmark dem Kloster Prüll.

Noch vor ungefähr 200 Jahren, also zur Zeit der Eingemeindung Kumpfmühls, zählte das Dorf 30 Häuser mit etwa 220 Einwohnern. Heute leben im Stadtbezirk 13, der Kumpfmühl, Ziegetsdorf und Neuprüll zusammenfasst, mehr als 21.000 Personen, also 13,2 Prozent des Bevölkerung Regensburgs.

Kumpfmühl ist ein besonders lebenswerter Stadtteil mit Bürgerinnen und Bürgern, die sich in Pfarreien und Vereinen
engagieren. Wenn es um Identität und Selbstverständnis geht, schöpfen sie aus dem großen Schatz ihrer Geschichte.
Jeder neue Bodenfund fügt der gemeinsamen Geschichte eine weitere Facette hinzu.

Ich selbst erinnere mich noch gut an den Römerschatz aus Kumpfmühl, den ein Bauarbeiter 1989 entdeckte. Als Archäologin weiß ich, was sich da abspielt, wenn man so etwas findet. So ein Fund wirkt wie eine Zeitmaschine. Er versetzt einen schlagartig in eine andere Welt. Man fragt sich: Wer hat das versteckt? Wer hat den Schmuck getragen? Wie haben die Menschen gelebt, die das hinterlassen haben?

Heute wissen wir, dass diejenigen, die den Römerschatz von Kumpfmühl zurückließen, auf der Flucht vor Angriffen auf das Kastell waren. So wird Geschichte lebendig. Der Bronzekessel mit Schmuckstücken und über 600 Gold-, Silber- und Bronzemünzen ist heute einer der Höhepunkte in der Römerabteilung unseres Historischen Museums. 

Die Römer faszinieren, immer wieder, in Regensburg, in Kumpfmühl und anderswo.

Auch der 2007 gegründete Geschichts- und Kulturverein Regensburg-Kumpfmühl e.V. bezieht sich auf die römische Vergangenheit des Stadtteils und trägt den stilisierten Grundriss des römischen Kastells im Logo.

Der frühere Leiter des Diözesanmuseums, Dr. Hermann Reidel, hat den Verein ins Leben gerufen und führt ihn heute
gemeinsam mit dem 1. Vorsitzenden Hubert Wartner. Der Verein bündelt das gesellschaftliche Leben in Kumpfmühl.
Zusätzlich zu seinem historischen Fokus folgt er einem Kulturbegriff, der verschiedene Aspekte gesellschaftlichen Lebens integriert, von der Denkmalpflege bis hin zum bürgerschaftlichen und sozialen Engagement. Vor wenigen Monaten hat der Verein die Frauen des Müttervereins St. Wolfgang mit dem von ihm gestifteten Brunnenpreis geehrt.

Die Bezeichnung Brunnenpreis bezieht sich auf Kumpfmühls Mitte. Seit dem Jahr 2000 sitzt dort ein Junge aus Bronze,
das Werk des Künstlers Alois Achatz. Zufrieden und ganz bei sich streckt der Junge ein Bein in einen Wasservorhang.

Ein Sinnbild für Kumpfmühl? Ja, Kumpfmühl hat etwas Zufriedenes. Und es hat Menschen, die etwas für die Zufriedenheit
in ihrem Stadtteil tun.  Und dann ist da noch etwas: Die Menschen in Kumpfmühl haben etwas Gemeinsames. Und ein Teil dieser Gemeinsamkeit ist ihre Geschichte.

Kumpfmühlerinnen und Kumpfmühler setzen sich für den Erhalt der Zeugnisse ihrer Geschichte ein und haben das jüngst beispielhaft an der Restaurierung des barocken Gartenhauses „Salettl“ an der Bischof-Wittmann-Straße gezeigt. Zur Feier am Ende der Sanierungsarbeiten zollte ihnen der bekannte Architekturkritiker und Denkmalschützer Dieter Wieland in seinem Festvortrag großen Respekt. Jetzt geht es um eine neue Nutzung für das Gartenhaus.

Seit 2012 ist der Verein Herausgeber der Jahresschrift „Der Vitusbach“. Sie bringt regelmäßig Beiträge zur Geschichte und Kultur Kumpfmühls. Während sich der erste Band mit den Ausgrabungen am Kumpfmühler Bürgerheim beschäftigte,
reflektiert die aktuelle Ausgabe die Rolle Kumpfmühls als Stadtteil Regensburgs in den letzten 200 Jahren. Der druckfrische Band wird heute vorgestellt und ich bis sehr gespannt.

„Wissenswertes über Geschichte und Kultur“ nennen die Herausgeber ihre Zeitschrift im Untertitel. Sie teilen dieses Wissen,
verwandeln es zu einer gemeinsamen Sache und tragen so dazu bei, dass es ein Teil der Stadtteil-Identität wird.

„Sich seiner Geschichte zu vergewissern, macht stark für die Zukunft“, hatte ich eingangs formuliert und Beispiele genannt, bei denen die Kumpfmühler genau das tun.

Ich danke allen, die mit viel ehrenamtlichem Einsatz ihr Wissen um die Geschichte des Stadtteils teilen und neu bewerten
für ein lebenswertes Kumpfmühl im 21. Jahrhundert. Davon profitiert ganz Regensburg.