
Eine Gedenktafel erinnert an das Außenlager des KZ Flossenbürg, das in der Gaststätte „Colosseum“ in Stadtamhof untergebracht war. © Bilddokumentation Stadt Regensburg
Heavy Metal, Piercings und Tattoos
Mittlerweise ist sein Körper übersät von unterschiedlichen Tätowierungen, die seine Interessen widerspiegeln: Comics, Musik, Filme. Aber auch Pommes und Pizza sind vertreten. Noch ist Platz vorhanden für weitere Körperkunstwerke. Und was sagen die Eltern zu seinem Erscheinungsbild? – „Die sind sehr aufgeschlossen und liberal“, meint er und schiebt augenzwinkernd ein „Mittlerweile“ hinterher. So liberal, dass der Vater den damals 16-Jährigen sogar auf ein Heavy-Metal-Konzert begleitete, obwohl das nun so gar nicht seine Musikrichtung war. Man wächst eben mit seinen Herausforderungen!
So bunt wie sein Körper ist auch der Lebensweg von Raphael Birnstiel. Eine „Findungskrise“ in der zehnten Klasse führte ihn zurück in seine Geburtsstadt, wo er im Internat St. Emmeram lebte und für drei Monate das Albertus-Magnus-Gymnasium besuchte. Dann brach er seine schulische Karriere ab, absolvierte mehrere Praktika und entschied sich schließlich für eine zweieinhalbjährige Buchhändlerlehre, nach deren Abschluss es ihn doch wieder zurück an die Schule zog. Nach dem Abitur an der BOS studierte er Geschichte und Politikwissenschaften, trat in die SPD ein und arbeitete im PR-Bereich eines Online-Spiele-Herstellers.
Im September 2015 bewarb er sich für die neu geschaffene Stabsstelle Erinnerungs- und Gedenkkultur und Extremismusprävention bei der Stadt, die er auf- und ausbaute – mittlerweile im „verflixten siebten Jahr“, wie er sich ausdrückt. „Die Aufarbeitung des Holocaust hat in meiner Familie schon immer eine große Rolle gespielt“, erklärt er. Dazu gehört auch die Tatsache, dass seine Vorfahren keine aktiven Widerstandskämpfer, sondern klassische Mitläufer gewesen seien. Besonders schätzt er Gespräche mit seiner heute 93-jährigen Tante, die man wegen ihrer schwarzen Haare für eine Jüdin gehalten und die allein deshalb als Heranwachsende von Nazis misshandelt worden sei.
Entscheidend geprägt habe ihn auch ein Besuch in Yad Vashem, dem Holocaust-Denkmal in Jerusalem, erzählt er. 13 Jahre alt sei er damals gewesen. Gemeinsam mit seinen Eltern habe er seinen älteren Bruder besucht, der in Israel studiert habe. Es sei für ihn einfach unbegreiflich gewesen, was in der NS-Zeit passiert sei. „Damals habe ich zum ersten Mal das demütige Glück gespürt, das wir haben, weil wir heute in einem liberalen Land in einer funktionierenden Demokratie leben dürfen – und das mit solch einer Geschichte!“