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Hoffnungsfunken - Jugendliche beraten Jugendliche

Ehrenamtliche am Kummertelefon

Jugendlichen den Kummer nehmen - Sofia Market engagiert sich bei den Hoffnungsfunken – Sie hilft Kindern und Jugendlichen am Telefon

Wenn das Telefon klingelt, hat Sofia Market erst mal keine Ahnung, wer am anderen Ende sitzt. „Diejenigen, die bei uns anrufen, sind ganz unterschiedlich“, sagt sie. Eines haben die Kinder und Jugendlichen aber gemeinsam: Sie brauchen jemanden zum Reden. Sofia hört dann einfach nur zu, gibt Ratschläge, muntert auf. Die 22-Jährige ist Teil der Regensburger Hoffnungsfunken. Dabei handelt es sich um eine Gruppe junger Menschen, die ein anonymes Telefon für Kinder und Jugendliche bis 21 Jahre betreiben. Die Idee dahinter: „Wir haben oft ein ähnliches Alter wie die Anrufer und können die Probleme vielleicht besser nachvollziehen als Erwachsene“, sagt Sofia. Auch die Hemmschwelle anzurufen sei für Kinder und Jugendliche so eventuell niedriger. Nummer gegen Kummer Erreichbar sind die Hoffnungsfunken unter der deutschlandweiten „Nummer gegen Kummer“. Wer allerdings die 116- 111 wählt, unterhält sich in der Regel mit geschulten Beratern im Erwachsenenalter. Das ändert sich jeden Samstag zwischen 14 und 20 Uhr. Dann übernehmen die bundesweit etwa 16 Teams von „Jugendliche beraten Jugendliche“ das Kummertelefon – darunter auch die Regensburger Hoffnungsfunken. Sofia Market wurde in ihren Telefonschichten schon mit den unterschiedlichsten Problemen konfrontiert. „Manche rufen an, weil sie Streit mit den Eltern oder Liebeskummer haben“, sagt sie. Es würden sich auch jüngere Kinder melden, die beispielsweise ihr Lieblingskuscheltier verloren haben. „Das ist ja dann eigentlich ganz süß“, meint Sofia. Dabei bleibt es aber selten. Immer wieder seien Fälle von häuslicher Gewalt oder Selbstverletzung Thema. Auch von Depressionen oder ungewollten Schwangerschaften würden manche Anrufer erzählen, sagt Sofia. Um mit solchen Situationen umgehen zu können, haben die Regensburger Hoffnungsfunken eine 70-stündige Ausbildung absolviert. Sofia Market Sofia Market engagiert sich bei den Hoffnungsfunken – Sie hilft Kindern und Jugendlichen am Telefon ist seit 2015 dabei. Damals machte sie ein einwöchiges Schülerpraktikum beim Kinderschutzbund unter dessen Dach die Hoffnungsfunken organisiert sind. Als dann kurz darauf eine neue Ausbildungsgruppe startete, war sie sofort Feuer und Flamme. „Für psychologische Themen habe ich mich schon immer interessiert“, erklärt sie. Seit knapp sieben Jahren engagiert sich Sofia Market nun bereits bei den Hoffnungsfunken. Den Gedanken aufzuhören, hatte sie nie. „Je länger ich dabei bin, desto cooler finde ich es“, sagt sie. Wenn sie am Samstag Schicht habe, klingele durchgehend das Telefon. „Daran merkt man auch, wie wichtig das ist, was wir machen.“ Wie lange die Telefonate dauern, sei ganz unterschiedlich, erklärt die Studentin. Manchmal würde sie sich nur wenige Minuten unterhalten, in anderen Fällen über eine Stunde. Bei ihren ersten Schichten sei sie sehr nervös gewesen. „Man geht ans Telefon und weiß nicht, was kommt“, sagt Sofia. Mittlerweile verspüre sie nur noch eine gewisse Anspannung. Beraterin als gute Freundin Um sich selbst zu schützen, melden sich die Hoffnungsfunken nicht mit ihren echten Namen. „Die Anonymität beider Seiten ist ziemlich wichtig“, sagt Sofia Market. Viele der Kinder und Jugendlichen würden schließlich genau deswegen anrufen. „Grundsätzlich benachrichtigen wir deshalb auch niemanden“, sagt die erfahrene Beraterin. Nur wenn der Anrufer oder sein Umfeld sich in unmittelbarer Lebensgefahr befinden würden, könne man sich an die Polizei wenden. Die Rückverfolgung der Telefonate sei aber extrem schwierig. In Regensburg gab es bisher einmal einen solchen Fall – die Hoffnungsfunken sind seit 2006 aktiv. Auch Sofia hatte schon Gespräche, die sie im Nachhinein noch beschäftigt haben. Vor kurzem habe sie beispielsweise mit einem 16-Jährigen telefoniert, der seine Familie verloren hatte. „Er hatte auch sonst keine Familie mehr“, erzählt Sofia. In solchen Situationen könne man eigentlich nur zuhören und eine gute Freundin sein. „Da kann ich keine Tipps oder Ratschläge geben“, sagt sie, „da gibt es keine Lösung“. Auch ein Gespräch mit einem Mädchen, das von häuslicher Gewalt erzählte, sei ihr lange in Erinnerung geblieben. „Da gab es auch sexuelle Übergriffe vonseiten des Stiefvaters“, erzählt die Studentin. Die Mutter des Mädchens habe das gewusst, aber tolerieren müssen, weil sie von ihrem neuen Mann abhängig war. „Da ist man dann schon betroffen“, sagt Sofia, „weil es so ausweglos scheint“. Sie selber könne sich auch von solch „krassen“ Fällen gut abgrenzen. „Im Alltag spielt das dann eher keine Rolle mehr für mich“, sagt die 22-Jährige. Um die Anrufe dennoch verarbeiten zu können, reden die Jugendlichen regelmäßig mit Sozialpädagogen darüber. Einmal im Monat gibt es eine sogenannte „Supervision“. „Es tut gut, wenn man sich da über manche Telefonate nochmal unterhalten kann“, erklärt Sofia. Angst, in den Gesprächen mit den Kindern und Jugendlichen etwas Falsches zu sagen, hat die Beraterin allerdings nicht. Auch im Nachhinein hätte sie nie das Gefühl gehabt, eine andere Reaktion auf bestimmte Aussagen wäre besser gewesen. „Wir geben alle unser bestes“, sagt Sofia. Die Anrufer würden das wissen. „Sie wissen aber auch, dass wir keine Therapeuten sind“, erklärt sie.

Ein Artikel der Mittelbayerischen Zeitung im Rahmen einer Kooperation zur Woche des bürgerschaftlichen Engagements.
September 2022