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Interview Matthias Ripp

Herr Dr. Ripp, Nachhaltigkeit und Welterbe – wie passen die beiden Themenbereiche zusammen?

Der Erhalt unserer natürlichen Ressourcen und der Erhalt unseres kulturellen Erbes haben im Kern den gleichen Narrativ. Als unsere Gesellschaft begonnen hat, ausgewählte kulturelle Güter zu schützen, war die Bewegung des Heimatschutzes sehr eng verbunden mit dem gleichzeitig stark werdenden Naturschutz. Ich glaube, es ist an der Zeit, diese enge Verbindung zwischen dem Schutz und dem Erhalt von Kulturgütern und unseren natürlichen Lebensgrundlagen wieder aufleben zu lassen.

Die Stadt Regensburg setzt nun immer mehr auf nachhaltige Stadtentwicklung. Welche Synergieeffekte sehen Sie da mit dem Thema Welterbe?

Eine der entscheidenden Grundlagen für die erfolgreiche nachhaltige Stadtentwicklung der Stadt Regensburg war sicher das historische Stadtensemble, welches heute zum UNESCO-Welterbe der Menschheit gehört.

Es dient als Identifikationsort, in dem sich Menschen, egal ob Bewohner oder Besucher, wohl fühlen und wo sie sich gerne aufhalten. Diese Qualität ist einzigartig im wörtlichen Sinne und deshalb ja auch in die Welterbeliste aufgenommen. Während vor zwanzig Jahre noch oft Kulturguterhalt als Hindernis für Stadtentwicklung wahrgenommen wurde, gibt es heute eine überwältigende Anzahl an wissenschaftlichen Beweisen, die zeigen, dass kulturelles Erbe der Ausgangspunkt für nachhaltige Stadtentwicklung sein kann. Wir haben schon vor zehn Jahren - und damit sehr früh im europäischen Vergleich - im Rahmen unseres Welterbemanagementplans begonnen, konkrete Projekte zu definieren, wie das baukulturelle Erbe zur Stadtentwicklung beitragen kann.

Können Sie aus Ihrem Arbeitsalltag konkrete Beispiele nennen?

Ein Beispiel, an dem ich fast täglich vorbeikomme, ist das Haus der Musik am Bismarkplatz. Die Umnutzung dieses historischen Gebäudes - das ja zu den herausragenden Einzeldenkmälern im Welterbeensemble zählt - zum Haus der Musik ist ein sehr schönes Beispiel, wie die Qualitäten des baukulturellen Erbes eingesetzt werden können, um letztendlich die Lebensqualität der Einwohner zu stärken. Ohne mehrere Millionen Euro an Fördermittel, die wir über ein spezielles Welterbeförderprogramm des Bundes einwerfen konnten, wäre das sicher nicht so möglich gewesen. Ein zweites Beispiel ist sicher das Besucherzentrum Welterbe, das auch von vielen Regensburgern z.B. bei Sonderausstellungen genutzt wird. So entsteht ein Mehrwert für die Regensburger, indem sie sich zu einzelnen Aspekten des kulturellen Erbes informieren und natürlich gerne auch einbringen können.

Oft wird Nachhaltigkeit in einem Atemzug mit Resilienz genannt. Wo liegen hier Ihrer Meinung nach die Unterschiede?

Resilienz zielt mehr auf die Anpassungsfähigkeit von (städtischen) Systemen, währen im Zentrum der Nachhaltigkeit der Erhalt von Ressourcen steht. Resilienz folgt dabei eher systematischem Denken, welches Zusammenhänge im Blick hat. Kulturelles Erbe hat viel beizutragen - sowohl zur Resilienz als auch zur Nachhaltigkeit von historischen Städten - und ist eben nicht,s was diesen im Weg steht. Leider wird es aber oft nur als etwas verstanden, das zu schützen ist - und der Beitrag zu Resilienz und Nachhaltigkeit wird noch wenig gesehen. Es gibt aber Hoffnung, denn derzeit arbeiten eine ganze Reihe von europäischen Projekten in diesem Feld.

Was bringt der nachhaltige Ansatz den Regensburgerinnen und Regensburgern?

Nun, wenn unsere Lebensgrundlagen zerstört sind, erübrigen sich viele andere Ziele und Projekte. Insofern finde ich es elementar wichtig, dass in unserem Alltag bei jedem einzelnen nachhaltiges Handeln zum neuen Standard wird. Ich habe das Gefühl, dass hier die jüngere Generation oft schon weiter ist. Wenn wir in Regensburg unsere hohe Lebensqualität mit all ihren Dimensionen erhalten wollen, müssen wir mit einer noch größeren Intensität Nachhaltigkeit in unser alltägliches und natürlich auch institutionelles Handeln integrieren. Als neuen Standard.

Sie arbeiten mit vielen Welterbestätten international zusammen. Gibt es hier besonders nachhaltige Städte?

In einzelnen Dimensionen der Nachhaltigkeit finden wir tatsächlich auch einige Welterebestädte, die als Vorbild dienen können. Ich denk da zum Beispiel an solche Klassiker wir Amsterdam, die das Thema nachhaltige Mobilität tatsächlich schon vor Jahrzehnten implementiert haben. Oder etwa Welterbestätten in Österreich in denen die regionale Verfügbarkeit von nachhaltig (biologisch) angebauten Lebensmitteln schon sehr lange eine andere Dimension erreicht hat. Beide Beispiele zeigen aber auch, dass man immer im regionalen Zusammenhang denken muss.

Das Welterbe Regensburg feiert heuer 15-jähriges Jubiläum. Wo sehen Sie die Stadt und ihr Erbe in 15 Jahren?

Ich hoffe, dass unser Welterbeensemble noch genauso gut und unbeeinträchtigt als Wohlfühlort für Bewohner und Besucher funktioniert. Und mit funktionieren meine ich auch, dass es uns dann gelungen ist, den Herausforderungen, die der Klimawandel und andere Umweltveränderungen mit sich bringen, so zu begegnen, dass die Lebensqualität erhalten bleibt. Dazu gehört natürlich auch der Erhalt und das dauerhafte Nutzen unserer Denkmäler welche im Kern das Welterbe ausmachen.