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Stadtfreiheitstag 2023

Rede von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich des Stadtfreiheitstages am Samstag, 18. November 2023, um 19 Uhr im Historischen Reichsaal des Alten Rathauses

- Es gilt das gesprochene Wort - 

 

Verehrte Gäste, herzlich willkommen zur Feier des Stadtfreiheitstages 2023.

Seit 1980 feiern wir in Regensburg im November diesen Tag. Wir erinnern uns damit an jenen 10. November im Jahr 1245, an dem Friedrich II, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, der Stadt den Weg zur „Freien Stadt“ ermöglichte.

Wir schauen an diesem Tag aber auch aus unterschiedlichen Perspektiven auf den Begriff Freiheit und dessen Bedeutung.

Für Regensburg war die Stadtfreiheit weit mehr als nur ein Titel. Friedrich stattete Regensburg dadurch mit einer Reihe an Privilegien aus. Fortan konnte sich die Stadt selbst verwalten, Bürgermeister und Stadtrat wurden von den Bürgern gewählt, Zölle konnten erhoben und der Zugang zur Stadt selbstständig geregelt werden.

So markiert der 10. November 1245 einen Wendepunkt. Lag die Verwaltung der Stadt zuvor in den Händen der Bayerischen Herzöge, der Regensburger Bischöfe und der Deutschen Könige, begann nun selbstverwaltet ein wirtschaftlicher Aufstieg. Der Handel florierte. Mit der Steinernen Brücke verfügte Regensburg über einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt – eine sichere Donauquerung – und damit über sprudelnde Zolleinnahmen. Freiheit bedeutete also bereits vor acht Jahrhunderten Wohlstand für Viele.

Freiheit ist aber weit mehr als „nur“ eine Voraussetzung, um selbstbestimmt Wohlstand zu erwirtschaften. Heute ist Freiheit ein Grundrecht. Sie ist ein elementares Merkmal moderner Demokratien. Sie ist ein Menschenrecht – und als solches auch verbrieft. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen ist das vierte Wort: frei. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, lautet der erste Satz des ersten Artikels. Und weiter steht in Artikel 3 geschrieben: „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“ Die Autoren der Erklärung, die 1948 unter dem Eindruck zweier Weltkriege verfasst wurde, schrieben zudem in die Präambel: „Die Anerkennung der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen ist Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt.“ Freiheit ist 778 Jahre nachdem Friedrich II. der Stadt Regensburg umfassende Freiheitsrechte zugestanden hat, als Basis für Gerechtigkeit und Frieden anerkannt. Und sie steht jedem Menschen zu – überall und jederzeit. 

Seit 20 Monaten stellt nun der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine diese Werte infrage. Wladimir Putin greift nicht nur ein Land an, er greift auch die Freiheit der Menschen in der Ukraine an, ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und auf Sicherheit. Er attackiert damit die Grundlage des Zusammenlebens in ganz Europa. Die Ukrainer – auch in Regensburgs Partnerstadt Odessa – kämpfen nicht nur um ihr Land. Sie kämpfen auch für dieses hohe Gut des Menschen und des menschlichen Miteinanders. Sie kämpfen für die Freiheit. Die Grundidee, auf die dieser Regensburger Feiertag zurückgeht, könnte also kaum bedeutender sein.

Sehr geehrte Gäste,

Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, demokratische Strukturen und Pressefreiheit – speziell vor dem Hintergrund der Aggression Russlands gegen die Ukraine – waren auch bestimmende Themen auf dem Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats in Straßburg Ende Oktober. Der Kongress hat die Aufgabe, Rechtsstaatlichkeit, lokale demokratische Strukturen sowie Menschenrechte auf dem europäischen Kontinent zu sichern. Als Teil der deutschen Delegation durfte ich die Interessen der Kommunen vertreten und unsere Positionen einbringen.

Neben dem russischen Angriff auf die Ukraine führt uns auch die menschenverachtende Attacke der Terrororganisation Hamas auf Israel vor Augen, wie verletz- und angreifbar grundlegende Rechte und Freiheiten sind. Israel macht als Reaktion auf den Angriff von seinem legitimen Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch mit dem Ziel, dass ein solcher Angriff wie der vom 7. Oktober 2023 kein zweites Mal stattfinden kann. Das hat in vielen Teilen der Welt zu Protesten geführt – auch in Deutschland. Ein demokratischer Rechtsstaat muss das zulassen – solange dabei bestehende Werte, Normen und Regeln eingehalten werden.

Auch eine Stadtgesellschaft stellt es vor Herausforderungen, wenn grundlegend unterschiedliche Meinungen und Perspektiven aufeinandertreffen. Denn alle, die in Regensburg leben, sind Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Alle haben die gleichen Freiheiten und Rechte – inklusive dem Recht auf freie Äußerung der Meinung. Wer aber zur Gewalt aufruft oder sich antisemitisch äußert, ist nicht von diesem Recht geschützt. Denn Hass ist keine Meinung! Wer meint, sein Recht auf die freie Meinungsäußerung durch Hassparolen und den Aufruf zur Zerstörung Israels kundtun zu müssen, hat unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht verstanden und ist damit kein Teil unserer freiheitlichen-demokratischen Stadtgesellschaft.

All das gibt dem heutigen Tag eine enorme Bedeutung. Es ist mir daher eine besondere Ehre und Freude, auch 2023 Bürgerinnen und Bürger ehren zu dürfen, die sich einerseits um das Gemeinwohl und um das Wohl und Ansehen unserer Stadt verdient gemacht haben und anderseits auf Basis freier Entscheidung im wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder kulturellen Bereich Bemerkenswertes erreicht haben.

Umrahmt wird der heutige Festakt vom fünfköpfigen Vokalensemble „high5ive“ aus Regensburg, das 2022 mit dem Musikpreis der Stadt Regensburg geehrt wurde. Danke, dass Sie heute hier sind.

Vor der Verleihung der städtischen Auszeichnungen haben wir jedoch die Gelegenheit, den Begriff Freiheit aus einer weiteren Perspektive zu betrachten. Frau Dr. Jasmin Jossin wird den Festvortrag halten und sich darin unter dem Titel „Die Freiheitsgrade, die uns bleiben: Transformatives Lernen für eine nachhaltige Stadtentwicklung“ unter anderem damit beschäftigen, wie wichtig Raum für freie Entscheidungen ist, um neue Wege zur Lösung drängender, bisher aber ungelöster Herausforderungen, zu finden.

Frau Dr. Jossin ist promovierte Stadt- und Umweltpsychologin und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Leitbildern, Zukunftsfragen und Zielkonflikten nachhaltiger Stadtentwicklung, kommunalem Nachhaltigkeitsmanagement und dem damit verbundenen Bildungsauftrag. Sie ist am Karlsruher Institut für Technologie im Zentrum Mensch und Technik tätig. Als Co-Leiterin des deutschlandweiten Projektes „Urbane Xtopien – Freiräume der Zukunft“ liegt ihr derzeitiger Forschungsschwerpunkt auf dem Potential von Visionen für Zukünfte im Übermorgen. Vor ihrer Tätigkeit arbeitete sie am Deutschen Institut für Urbanistik im Forschungsbereich „Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen“. Sie ist Mitglied im Verband Deutscher Städtestatistiker sowie beratendes Lenkungsgruppenmitglied beim europäischen Städtevergleich Urban Audit.

Die Arbeit von Frau Dr. Jossin ist damit für Kommunen von großer Bedeutung und bildet eine wichtige Grundlage für die tägliche Arbeit im Bereich der Stadtentwicklung. Ich bin davon überzeugt, dass sie als Festrednerin im Rahmen des diesjährigen Stadtfreiheitstages wertvolle neue Impulse zur Erreichung der ehrgeizigen Entwicklungsziele, die sich Regensburg als nachhaltiger und innovativer Technologiestandort gesetzt hat, geben kann und freue mich daher besonders auf ihre Ausführungen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.