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Maiempfang 2023

Rede von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich des Maiempfangs der Stadt Regensburg am 26. April 2023 um 20 Uhr im Historischen Reichssaal

- Es gilt das gesprochene Wort -

Rede von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich des Maiempfangs der Stadt Regensburg am 26. April 2023 um 20 Uhr im Historischen Reichssaal

Anrede

Herzlich willkommen zum Maiempfang der Stadt Regensburg, hier im Historischen Reichssaal.Der Dialog mit Ihnen ist ein Dialog mit den Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern in unserer Stadt, in unserer Gesellschaft.

Ich freue mich sehr, dass wir auch dieses Jahr den Maiempfang der Stadt Regensburg wieder gemeinsam feiern können. Keine Pandemie hält uns mehr davon ab, uns darüber zu verständigen, warum uns der Tag der Arbeit wichtig ist, was wir damit verbinden und wie wir Solidarität üben können.

Seit vielen Jahrzehnten lädt die Stadt Regensburg jedes Jahr zu diesem Empfang. 2020 und 2021 waren coronabedingt Ausnahmen, die uns gezeigt haben, dass selbst ein Maiempfang keine Selbstverständlichkeit ist… Umso dankbarer bin ich heute für die Möglichkeit der persönlichen Begegnung und des Gesprächs.

Die Erinnerung ist etwas sehr Subjektives und hat aus jeder Perspektive ein anderes Gesicht. Und doch erinnere ich mich jedes Jahr um den Tag der Arbeit herum an die 1980er Jahre, die Jahre also, in denen die Idee des Maiempfangs der Stadt Regensburg geboren wurde.

Für mich sind es die Jahre, in denen die Weichen gestellt wurden für das Regensburg wie es heute ist.

Damals nahm die Entwicklung Regensburgs als Industriestadt ihren Anfang. Die Ansiedlung von BMW oder die Erweiterung des Siemenswerks sind wichtige Meilensteine in der Geschichte unserer Stadt. Parallel dazu entwickelte sich die Universität und die Erfolgsgeschichte des Universitätsklinikums nahm mit dem ersten Bauabschnitt für die Zahn-, Mund-, und Kieferklinik ihren Anfang.

Warum ich das erzähle? – Damals, in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, wurde Regensburg Industrie- und Wissenschaftsstadt. Die Stadtgesellschaft veränderte ihr Gesicht. Ich glaube, die Impulse, die Regensburg damals erlebte, wirken heute noch nach. Regensburg wurde attraktiv. Bürgerinnen und Bürger erlangten ein neues Selbstbewusstsein, wurden wissbegieriger, bildungshungriger, mutiger, engagierter und – solidarischer.

Wenn ich das behaupte, denke ich auch an unsere Partnerstadt in der Ukraine und daran, wie unsere Städtepartnerschaft nach dem Zerfall der Sowjetunion begann. Vor dem Hintergrund einer drohenden Hungersnot, reiste die damalige Regensburger Oberbürgermeisterin Christa Meier im November 1990 nach Odessa ans Schwarze Meer und unterzeichnete gemeinsam mit ihrem dortigen Kollegen den Partnerschaftsvertrag zwischen beiden Städten.

Wieder zurück in Regensburg lancierte meine Vorgängerin im Amt gemeinsam mit dem Dekan der Evangelischen Kirche einen Spendenaufruf an die Bevölkerung und sammelte innerhalb von wenigen Wochen 680.000 Mark für Odessa. Die Kirchen, das Roten Kreuz und unzählige Ehrenamtliche zeigten in dieser frühen Phase unserer Städtepartnerschaft Solidarität und Einsatzbereitschaft.

Heute, 33 Jahre später, ist unsere Partnerstadt am Schwarzen Meer wieder auf Hilfe angewiesen und es zeigt sich, dass die Strukturen, die wir damals aufbauten, noch heute tragen.

Ja, es stimmt, der Horizont der Regensburgerinnen und Regensburger hat sich in den 1980er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts erweitert. Die Bereitschaft, den eigenen Wohlstand mit anderen zu teilen, hat zugenommen. Diese Haltung haben sich viele Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt bis heute bewahrt. Dafür bin ich als Oberbürgermeisterin sehr, sehr dankbar. 

„Ungebrochene Solidarität“ – dieses Motto, liebe Arbeitnehmer-Vertreterinnen und -vertreter, das Sie den diesjährigen Mai-Kundgebungen voranstellen, teile ich gerne mit Ihnen.

„Ungebrochene Solidarität“ – dieser Appell ist insofern so richtig und so wichtig, als existenzielle Ängste von Bürgerinnen und Bürger mit der Pandemie und dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zugenommen haben. Inflation, Energie- und Klimakrise bedrohen Menschen.

Seit 1992 ermittelt die R+V-Versicherung in einer Langzeitstudie die „Ängste der Deutschen“. Während die Angst vor steigenden Lebensmittelpreisen 2021 mit 50 Prozent noch an Platz zwei im Ranking lag, kletterte dieser Wert 2022 auf Platz eins. 67 Prozent der Befragten nannten diese Angst an erster Stelle. 

Seit vielen Jahren gilt die Langzeituntersuchung der R+V-Versicherung als Seismograph für die Befindlichkeit in unserer Gesellschaft, wenn es um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie und Gesundheit geht. Der Studienleiter selbst hält den aktuellen Anstieg der Angst vor steigenden Lebensmittelpreisen für bemerkenswert und signifikant. 

Vermutlich nehmen wir alle die Welt, in der wir leben, seit unserer letzten Begegnung hier im Historischen Reichssaal noch fragiler wahr. Es scheint, als berge jeder neue Tag eine Hiobsbotschaft. Kriegsnachrichten, Naturkatastrophen, Klimawandel, Energiekrise, steigende Inflation, Fachkräftemangel, Pflegenotstand und vieles mehr bereiten uns Sorgen und fordern jeden einzelnen von uns. 

Dagegen setzen Sie, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmer und Gewerkschaften, „ungebrochene Solidarität“,

Ihr Statement richtet sich

gegen das Fragile,

gegen das Brüchige, 

gegen das Auseinanderbrechen,

von dem eine Gesellschaft bedroht ist, in der Ängste überhand nehmen.  

Aus Ihrem Appell an die ungebrochene Solidarität spricht die Notwendigkeit, sich neu auf Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung zu besinnen. – Vielleicht formulieren Sie so, um zu verstärken, was Solidarität ohnehin bedeutet: Das Feste, eben das Unverbrüchliche. Als Oberbürgermeisterin der Stadt Regensburg teile ich Ihr Eintreten für ungebrochene Solidarität.

Vor dem Hintergrund steigender Lebenshaltungskosten ist es richtig, dass Menschen für ihre Arbeit mehr Lohn fordern. Menschen müssen von ihrem Verdienst leben können. Dank der, in der letzten Woche erzielten, Einigung in den Tarifverhandlungen werden die kommunalen Beschäftigten eine deutliche Verbesserung im Geldbeutel feststellen. Kommunen müssen attraktive Gehälter zahlen können, damit sie als Arbeitgeber weiterhin attraktiv bleiben.

Auf der anderen Seite führt diese Einigung zu einer großen Belastung für unseren kommunalen Haushalt, die wir schultern müssen. Jedes unserer Referate wird sich seine Ausgaben noch einmal genauer anschauen müssen als ohnehin schon. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir auch das schultern können. 

Tatsächlich ist die Kommune der Ort, an dem sich die Grundwerte einer Demokratie im Alltag von Bürgerinnen und Bürgern vermitteln. Hier werden Solidarität, die Verantwortung füreinander und für sich selbst so unmittelbar gelebt wie nirgendwo sonst. Die Kommune stellt die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Infrastruktur dar, auf deren Basis jedes Individuum sein Leben gestalten kann. 

Tagtäglich arbeiten wir daran, diese Anforderungen der Daseinsvorsorge zu erfüllen – gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Tagtäglich arbeiten 4.200 Menschen aus 50 Nationen in mehr als 40 Ämtern in rund 100 Berufen, darunter 55 Prozent Frauen und 45 Prozent Männer. 200 junge Menschen absolvieren bei der Stadt Regensburg gerade eine Ausbildung oder arbeiten bei uns als dual Studierende. Zusammen arbeiten sie jeden Tag daran, dass unsere Stadt lebenswert bleibt. Sie sind Erzieher, Gärtnerinnen, Bauarbeiter, Verwaltungsangestellte, Beamtinnen, Technikerinnen, IT-Experten, Abteilungsleiterinnen, Musikschullehrer und viele mehr.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Regensburg schaffen auch den Rahmen für ehrenamtliche Arbeit, etwa für Elternbeiräte in Schulen, die Unterstützung von Flüchtlingen oder das Engagement von Vereinen, deren Arbeit die Stadt Regensburg fördert. 

Aktuell kümmern sich zahlreiche Regensburgerinnen und Regensburger um Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sowie Erdbebenopfer aus Syrien und der Türkei. Vor allem die in Regensburg gegründeten Organisationen Sea-Eye und Space-Eye oder Campus Asyl koordinieren die Arbeit zahlreicher Ehrenamtlicher.

Dankbar bin ich auch für den Wohnraum, den die Menschen in Regensburg und der Region zur Verfügung stellen konnten und Geflüchtete aufnahmen – für mich ein großes Zeichen der Solidarität und Mitmenschlichkeit. Denn der Wohnungsmarkt in Regensburg ist nach wie vor angespannt. Die Mieten sind hoch. Auch durch weiter steigende Mietpreise kommen immer mehr Menschen an ihre finanziellen Grenzen.

Leider bremsen steigende Baukosten und Zinsen derzeit den Neubau von Wohnungen, darunter auch geförderter Wohnraum. Gerade im Bauwesen, aber auch in anderen Bereichen unserer täglichen Arbeit sind wir Kommunen Auftraggeber. 

Natürlich sind wir verpflichtet, nachhaltig zu wirtschaften sowie sorgfältig mit Steuergeldern umzugehen und uns an das Vergabe- und Wettbewerbsrecht zu halten. Dennoch können wir bei unseren Auftragsvergaben im gesetzlich möglichen Rahmen unseren Spielraum als Kommune nutzen und Unternehmen berücksichtigen, die sich zum Beispiel ihren Mitarbeitenden gegenüber fair verhalten und Solidarität zeigen. 

Auch dahingehend hat die Stadt Regensburg zum 1. April ihre Vergaberichtlinien geschärft:

Wir erwarten etwa von Firmen, die im Auftrag der Stadt arbeiten, dass sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Tarif bezahlen. Auch Nachhaltigkeit, soziale und ökologische Kriterien, spielen jetzt bei der Vergabe von Aufträgen eine größere Rolle. Als Stadt Regensburg wollen wir Vorbild sein. Solidarität und Zusammenhalt sind für unsere Stadt hohe Werte. Sie, sehr verehrte Arbeitnehmer-Vertreterinnen und -Vertreter, können auf uns als Stadt Regensburg zählen.

Die Kommune ist der Ort, an dem Solidarität mehr sein muss als ein Lippenbekenntnis. Völlig richtig, wenn Sie ungebrochene Solidarität einfordern, Solidarität auch in unruhigen Zeiten.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich übergebe jetzt das Wort an Christian Dietl, Regionsgeschäftsführer des DGB Oberpfalz. Herzlich willkommen, Herr Dietl.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.