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Maiempfang 2022

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede

Herzlich willkommen zum Maiempfang der Stadt Regensburg. Es freut mich sehr, Sie heute hier in Präsenz begrüßen zu können. Dass der letzte Maiempfang hier im Historischen Reichssaal drei Jahre zurückliegt, ist der Pandemie geschuldet 

Verehrte Damen und Herren, der Maiempfang gehört zu den wichtigsten Terminen im Jahreslauf unserer Stadt. Das erkennen Sie auch daran, dass er im Historischen Reichssaal stattfindet – einem Saal, der besonderen Gästen und besonderen Ereignissen vorbehalten ist. Schön, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind.

Seit den 80er-Jahren lädt die Stadt Regensburg jedes Jahr vor dem 1. Mai Betriebs- und Personalräte, Vertreter der Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen zu diesem Empfang im Historischen Reichssaal ein. Er dient dem Dialog und dem Miteinander. Außerdem erinnern wir an diesem Tag an die Verdienste der internationalen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung.

Anlässlich des heutigen Empfangs habe ich mir vor ein paar Tagen die Rede zum Maiempfang 2019 durchgelesen. Noch einmal wurde mir bewusst, wie weit entfernt das Jahr 2019 heute scheint, welchen gesellschaftlichen Transformationen und Bedrohungen wir in der Zwischenzeit ausgesetzt waren und immer noch ausgesetzt sind. Wie leicht war es 2019 für mich, Revue passieren zu lassen, was sich getan hat, nachdem die Internationale Arbeiterbewegung 1890 zum ersten Mal den „Tag der Arbeit“ feierte und wie sich der „Kampftag der Arbeit“ in einen Feiertag verwandelte.

Der Maiempfang 2019 fand kurz vor der Europa-Wahl statt. Der Slogan des DGB zum 1. Mai lautete damals: „Europa – jetzt aber richtig“. Unter diesem Motto forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund gute Arbeit und ein soziales und demokratisches Europa. All das schien in greifbarer Nähe. Und heute? Ist es möglich, heute eine Rede zu halten, ohne das völkerrechtswidrige Morden in der Ukraine zu verurteilen und seiner Opfer zu gedenken?

Dieser Maiempfang steht im Schatten der russischen Invasion in die Ukraine. Die Achtung der staatlichen Souveränität und der Grenzen eines jeden Landes ist Grundlage des Friedens und des demokratischen Miteinanders in Europa.

Dieser Frieden ist jetzt zerstört.

Die russische Invasion macht nicht nur die Städte in der Ukraine dem Erdboden gleich, sie tötet Menschen wie Sie und mich, Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer in Industrie- und Handelsunternehmen, Handwerkerinnen und Handwerker, Politikerinnen und Politiker, Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, der Kunst, der Heilberufe, Journalistinnen und Journalisten, Kinder, Schwangere und werdende Väter. 

Alte Menschen, die schon einmal einen Krieg erlebten, haben selten das Glück, heil aus ihren brennenden Wohnungen geborgen zu werden.

Das kulturelle Erbe der Ukraine ist zerstört, geplündert oder extrem bedroht, darunter das unserer Partnerstadt Odessa.

Die Geflüchteten, die unsere Stadt in den letzten Wochen erreicht haben und die wir durch die große Hilfsbereitschaft unserer Bürgerinnen und Bürger aufnehmen konnten, wollen sobald wie möglich wieder zurück in ihr Land, doch der Krieg dauert an und mit ihm die hasserfüllten Angriffe auf die Zivilbevölkerung. Wir alle hoffen, das Morden möge ein Ende nehmen und wissen, dass die seelischen Wunden der Überlebenden noch lange schmerzen und nie ganz heilen werden.

Der Maiempfang 2022, sehr verehrte Damen und Herren, steht im Zeichen des Krieges. 

Auf der anderen Seite, liebe Betriebs- und Personalräte, Vertreter der Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen steht an diesem Tag immer auch ein Begriff im Mittelpunkt, der Ihnen besonders vertraut ist, der gewissermaßen zu den Grundbegriffen Ihrer Arbeit gehört. – Es ist die Solidarität. 

Das Solidaritätslied aus dem Liederschatz der Arbeiterbewegung der frühen 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts setzt auf politische, ökologische, demokratische und internationale Solidarität. Es ist heute so aktuell wie je. Als Arbeiter- und Friedenslied besingt es die Sehnsucht der Menschen in allen Ländern nach einem friedvollen Miteinander und einer lebenswerten Zukunft.

Das Motto des DGB für den diesjährigen Maifeiertag lautet „GeMAInsam Zukunft gestalten“. – Mir gefällt die kleine Irritation im Wort „Gemeinsam“ – Das „mei“ in Gemeinsam wird wie der Monat Mai geschrieben. Das führt unweigerlich dazu, sich auch die Bedeutung des Wortes „gemeinsam“ einmal wieder vor Augen zu führen, seinen Sinn zu erfassen und auszuformulieren, was damit wirklich gemeint ist … Sich gemeinsam für eine Sache engagieren, sich auf gemeinsame Werte verständigen und dafür zu kämpfen.

Die Länder der Europäischen Union haben sich auf gemeinsame Werte verständigt:

  • Die Würde des Menschen,
  • seine Freiheit, dazu gehören Religionsfreiheit, Gedankenfreiheit und Versammlungsfreiheit.
  • das demokratische Wahlrecht
  • und außerdem gleiche Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger,
  • die Rechtsstaatlichkeit und
  • die Menschenrechte 

Solidarität ist, diese Werte gemeinsam zu verteidigen. Solidarität ist, für den anderen einzustehen, wenn seine Würde nicht gewahrt und seine Rechte mit Füßen getreten werden. Solidarität ist mehr als das abstrakte Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens. Solidarität ist, sich gegenseitig zu helfen, füreinander einzutreten, hinzuschauen, wenn jemand schlecht behandelt wird, sich nicht abzuwenden und dafür zu sorgen, dass er oder sie zu seinem Recht kommt.

Jürgen Habermas hat vor einigen Jahren die politische Bedeutung des Begriffs der Solidarität erklärt: „Wer sich solidarisch verhält“, so Habermas, „nimmt im Vertrauen darauf, dass sich der andere in ähnlichen Situationen ebenso verhalten wird, im langfristigen Eigeninteresse Nachteile in Kauf.“

Solidarität verlangt etwas von uns, mutet uns etwas zu. Solidarität verlangt, Denken und Handeln zu synchronisieren. Das gilt auf internationaler, europäischer, nationaler und der kommunalen Ebene, etwa der unserer Stadt.

Nehmen wir das Beispiel Mindestlohn. Viele Jahre wurde der Mindestlohn in Deutschland diskutiert, bis er schließlich 2015 eingeführt wurde als unterste Lohngrenze für nahezu alle Abreitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Während der Mindestlohn bei seiner Einführung am 1. Januar 2015 bei 8,50 Euro pro Arbeitsstunde lag, kletterte er seither, begleitet von engagierten Debatten, kontinuierlich nach oben. Am 1. Januar 2017 kostete eine Arbeitsstunde 8,84 Euro, zwei Jahre später 9,19 Euro und am 1. Januar 2021 glatte 9,50 Euro. 

Aktuell liegt der Mindestlohn seit 1. Januar 2022 bei 9,82 Euro. Eine weitere – erstmals zweistellige – Anpassung ist zum 1. Juli 2022 geplant. Nach einem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums wird er zum 1. Oktober dieses Jahres auf zwölf Euro angehoben. Zudem wird die Entgeltgrenze für Minijobs auf 520 Euro erhöht. Laut Statistischem Bundesamt erreicht der Mindestlohn gegenwärtig 48 Prozent des aktuell durchschnittlichen Bruttoverdienstes in Deutschland. Auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen die nationalen Mindestlöhne auf 60 Prozent des jeweiligen Durchschnittslohns anzuheben. Die Politik des Mindestlohns ist eine Erfolgsgeschichte.

Nicht zuletzt die Pandemie hat uns gezeigt, dass Krankenpflege, Einzelhandel oder Logistik die elementaren Stützen unserer Gesellschaft sind und diejenigen, die dort rund um die Uhr arbeiten am wenigsten verdienen. – Dabei verdienen sie mehr und sollen es auch bekommen.

Wenn sich der Begriff der Solidarität in einer Gesellschaft zum Wert an sich aufschwingt, verbinden sich Denken und Handeln. Als Gesellschaft haben wir vereinbart, unter dem Mindestlohn geht gar nichts und das ist gut so. Der Mindestlohn schafft fairen Wettbewerb, mehr Gerechtigkeit und mehr Gleichberechtigung. Mindestlöhne schützen besonders Frauen, die häufiger noch als Männer von Niedriglöhnen betroffen sind.

Geschlechtergerechtigkeit ist von jeher eine große Aufgabe in den Gewerkschaften ebenso wie in den Unternehmen. Im Mai wird die frühere SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi DGB-Vorsitzende, ein Amt, das bisher ausschließlich Männer bekleidet haben. – Ein gutes Zeichen wie ich meine, gerade, wenn es um Solidarität geht.

Für den kommenden Sonntag haben sich Gewerkschaftsmitglieder, Personal- und Betriebsrätinnen wieder auf ein Motto verständigt: „GeMAInsam Zukunft gestalten“. Als Arbeitgeberin schließt sich auch die Stadt Regensburg diesem Motto an und stellt das Gemeinsame in den Mittelpunkt ihrer Beziehungen zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Gemeinsam mit der Stadt Regensburg die Zukunft gestalten!“ – So beginnen seit Anfang 2022 unsere Stellenausschreibungen. Dieses sehr zukunftsorientierte Angebot machen wir unseren Bewerberinnen und Bewerbern.

Chancengleichheit und Vielfalt sind die Grundlage unserer Personalarbeit. Wir freuen uns auf Bewerbungen aus allen Altersgruppen, unabhängig von Geschlecht, kultureller und sozialer Herkunft, Nationalität, Behinderung, Religion, Weltanschauung und sexueller Orientierung. Bei der Stadt Regensburg arbeiten Menschen mit Menschen: Mehr als 4.000 Beschäftigte aus rund 50 Nationen in über 40 Ämtern und mehr als 100 Berufen. 20 dieser Berufe sind Ausbildungsberufe oder solche, die über ein duales Studium zum Berufsabschluss führen. Mit diesen Beschäftigten sowie Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt arbeiten wir systematisch an der nachhaltigen Entwicklung Regensburgs als lebenswerter Stadt.

Als Prüfsteine fungieren dabei die 17 Ziele, die so genannten Sustainable Development Goals, die 2015 von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verabschiedet wurden und den Kern der Agenda 2030 bilden.

Was ich damit sagen will: Während im Prozess der Industrialisierung seit dem 19. Jahrhundert zunächst die konträren Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern dominierten, führten vor allem in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland der Einfluss des DGB zu sozialpartnerschaftlichen Konzepten.

Heute sehen wir uns gesellschaftspolitisch mehr und mehr mit Herausforderungen konfrontiert, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Dem Klimawandel zum Beispiel können wir nur gemeinsam begegnen, ebenso pandemischen Ereignissen, wie wir sie gerade erleben.

Daher freut es mich sehr, dass ich im Juli 2021 die Musterresolution „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ des Deutschen Städtetags und des Rats der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) unterschreiben durfte. Seither arbeiten wir auf lokaler Ebene an der Umsetzung und viele andere Kommunen in Europa tun das auch.

Die ersten Ziele betreffen Armut, Hunger. Wir wollen alles dafür tun, um sie für immer zu beenden. Durch unseren Einsatz für nachhaltigere Landwirtschaft wollen wir einen Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit leisten.

Weitere Ziele sind Gesundheit, Zugang zu höherwertiger Bildung, lebenslanges Lernen, die Gleichstellung der Geschlechter, sauberes Wasser, saubere und bezahlbare Energie, menschenwürdige Arbeit und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, eine belastbare Infrastruktur und nachhaltige Industrialisierung. Wir engagieren uns für weniger Ungleichheit innerhalb und zwischen Staaten, für nachhaltige, widerstandsfähige und sichere Städte, Gemeinden und Siedlungen, für verantwortungsvollen Konsum und für Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Wir wollen die Ressourcen der Ozeane und Meere nachhaltig nutzen wie auch die Ökosysteme an Land, wir wollen Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung und Bodenverschlechterung bekämpfen, Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen fördern sowie Partnerschaften zur Erreichung dieser Ziele rund um den Erdball.

Sehr verehrte Damen und Herren, Sie haben zugehört. Es sind sehr, sehr anspruchsvolle Ziele, die wir erreichen wollen. Damit wir jeden dieser Ziele verinnerlichen und Schritt für Schritt umsetzen, brauchen wir jeden Einzelnen von Ihnen. 

Für eine bessere Welt. Lassen Sie uns „GeMAInsam Zukunft gestalten!“ – Herzliche Einladung.  

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.