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Trommler zwischen zwei Welten

Joseph Wasswa stammt aus Uganda. Aus seiner ostafrikanischen Heimat mitgebracht hat er die Begeisterungsfähigkeit und die Liebe zu Rhythmen, die er als Lehrer an der städtischen Sing- und Musikschule an seine Schüler weitergeben kann. Denn so definiert er seinen Auftrag: Zwei ganz unterschiedliche Welten einander näherzubringen.

Seine Begeisterung ist ansteckend. Dennoch sagt Joseph Wasswa, Deutschland habe ihn ernster gemacht.
Seine Begeisterung ist ansteckend. Dennoch sagt Joseph Wasswa, Deutschland habe ihn ernster gemacht. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

8. Januar 2020

„In Deutschland vergleicht man sich ständig und muss immer das Beste haben“, sagt der 33-Jährige. „In meiner Heimat ist die Grundeinstellung, zufrieden zu sein, mit dem, was man hat.“ Dies habe ihm sein inzwischen verstorbener Vater, der ehemalige Bürgermeister von Masaka, einer kleinen Stadt südlich von Kampala in der Nähe des Viktoriasees, mit auf den Weg gegeben. Aber noch eine andere Botschaft sogen der kleine Joseph und seine neun Geschwister mit der Muttermilch auf: „Ohne Bildung gibt es keine Zukunft.“ Alle zehn Kinder fanden ihren Weg: Der Älteste als Priester, eine Schwester engagiert sich für Straßenkinder, ein Bruder arbeitet als Ingenieur in Bahrein, Joseph Wasswas Zwillingsschwester Mary ist Buchhalterin in einer Schule, er selbst absolvierte sein Studium der Musik und Ethnologie an der Universität in Kampala als Zweitbester und ergatterte ein Stipendium der Diözese Regensburg.

Die Vermittlung von Kultur ist für Joseph Wasswa keine Einbahnstraße.
Die Vermittlung von Kultur ist für Joseph Wasswa keine Einbahnstraße. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Kulturschock überwinden

Doch der Kulturschock traf ihn hart. Die fremden Menschen, die er – wie in seiner Heimat üblich – fröhlich grüßte, starrten ihn verwundert an, mit seinem fließenden Englisch – in einer ehemals britischen Kolonie fast selbstverständlich – kam er in der Metropole der Oberpfalz nicht weit. Doch er wollte nicht aufgeben, weil er seine Familie in der Heimat, die große Hoffnungen auf ihn gesetzt hatte, nicht enttäuschen wollte.

Zu Hilfe kam ihm da zum Einen die Gelassenheit, die seinem Volk eigen ist, und zum Anderen die Musik, die keine Grenzen kennt und überall auf der Welt verstanden wird. In Afrika sei der Rhythmus die Grundnahrung der Menschen. Er stimuliere die Gehirnhälften und trage dazu bei, dass sich bereits kleine Kinder besser konzentrieren und leichter abschalten könnten. Diese Sprache Afrikas trug er nach Regensburg und merkte schnell, dass er damit seine Schülerinnen und Schüler fesseln konnte, denn: „Die Musik hilft, ein Stück Heimat in die Fremde zu bringen.“

Aber Wasswa stellte auch schnell fest, dass die Vermittlung von Kultur keine Einbahnstraße sein darf. Ihm sei bewusst geworden, dass auch er in die deutsche Kultur hineinwachsen musste, betont er. Deshalb belegte er an der Universität Kurse in Internationaler Handlungskompetenz, las Hermann Bausingers Buch „Wir Deutschen“ und lernte schnell und vor allem fließend Deutsch, das er heute so schnell spricht, dass auch Einheimische sich schwer tun, ihm zu folgen. Und natürlich ist ihm inzwischen auch das Bayrische nicht mehr fremd.

Nach Abschluss seines Studiums an der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik engagierte er sich als Chorleiter der Gemeinde Steinweg und unterrichtet seit 2014 an der Sing- und Musikschule Singen und Rhythmusvermittlung. Er ist Träger des Kulturförderpreises der Stadt Regensburg und Promotionsstipendiat der Hanns-Seidel-Stiftung. Thema seiner Doktorarbeit ist die Migrationsforschung von Menschen mit afrikanischer Herkunft in Deutschland und die integrative und identitätsstiftende Bedeutung von Musikkultur und alltagskulturellen Praxen.

Das wahre Bild Afrikas vermitteln

Aber das Interesse für die unterschiedlichen Möglichkeiten, kulturelle Gräben zu überwinden, beschäftigt ihn nicht nur aus wissenschaftlichen Gründen. In Deutschland Verständnis für Afrika zu vermitteln, das empfindet er als seinen ganz persönlichen Auftrag. Die Musik hat daran einen wesentlichen Anteil. „Ich vermittle nicht nur die Musik“, sagt er, „ich vermittle das wahre Bild Afrikas.“ Und das ist etwas ganz Anderes als ein paar Lehmhütten, exotische Tiere und halbnackte Kinder mit Baströckchen. 54 Länder, die sich auf einem riesigen Kontinent verteilen, können eben nicht über einen Kamm geschoren werden.

Joseph Wasswa ist mit seinen Ideen beileibe noch nicht am Ende. Sein Ziel ist es, in seine Heimat zurückzukehren und dort als Politiker wirklich etwas zu bewegen. Seine Frau, eine Deutsche, die aber schon häufig längere Zeit in Afrika verbracht hat, und seine kleine Tochter würden diesen Weg mitgehen, da ist er sich sicher. Vor allem möchte er dann in die Jugend seines Landes investieren, denn: „Die Jugend ist unsere Zukunft“. Vor allem deshalb, weil Uganda statistisch gesehen die jüngste Bevölkerung der Welt aufweise.

Und auch das Reden, das Miteinander-Reden, liegt ihm am Herzen, denn: „Wenn man miteinander redet, hat man sofort ein anderes Bild. Das Reden rüttelt wach!“

Auch bei der Verleihung des Kulturförderpreises im Jahr 2016 sorgte Wasswa für Stimmung.
Auch bei der Verleihung des Kulturförderpreises im Jahr 2016 sorgte Wasswa für Stimmung. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Perspektiven schaffen

Besonders stolz ist Wasswa auf das Partnerschaftsprojekt, das er 2018 ins Leben gerufen hatte und das zu einem Austausch der Sing- und Musikschule in Regensburg und der International School of Music, Languages and Studio Production“ führte. Auch der Förderverein für Musik und Kultur in Uganda e. V. (FMK), den er in Regensburg gegründet hat, soll zur Völkerverständigung, und vor allem dazu, dass Kinder aus seiner Heimat einen besseren Zugang zur Bildung erhalten, einen wesentlichen Beitrag leisten.

Schließlich steht für Wasswa fest: „Wenn es den Menschen gut geht, dann kommt niemand auf den Gedanken, sein Land zu verlassen.“

Text: Dagmar Obermeier-Kundel